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Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Titel: Die letzte Fahrt des Tramp Steamer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Álvaro Mutis
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gezeichneten Lippen deuteten ein Lächeln an, und gleichzeitig entspannten sich die schwarzen Brauen, dicht, aber ohne die Harmonie des Gesichts zu zerstören. ›Bonjour, messieurs‹, grüßte sie, versuchte jedoch nicht, in ihrem Französisch den arabischen Akzent zu verbergen, der mir besonders reizvoll erschien. Sie hatte eine feste Stimme, die in den tiefen Lagen manchmal unfreiwillig heiser wurde, ganz leicht, aber so sinnlich, dass es einen verwirren konnte. Sie küsste ihren Bruder so nonchalant auf die Wange, dass die Geste jede Vertraulichkeit verlor, und uns drückte sie kräftig die Hand, streckte dabei jedoch den Arm etwas aus, als wollte sie auf nicht persönlich gemeinte, aber deutliche Distanz gehen.« Ich glaube, es ist nicht überflüssig, meine Leser darauf hinzuweisen, dass gewisse museografische Anspielungen in dieser Beschreibung auf mein Konto gehen. Iturri sagte etwas wie ›diese Frauenstatuen, die es in Rom gibt‹ oder ›diese lächelnden Jünglingsgestalten in Athen‹. Dann erzählte er, wie sie den hintersten Winkel des Schiffs besichtigten und wie Warda bewies, dass sie über Einzelheiten der Maschinen, der Ladekapazität und des Funktionierens der Kräne ziemlich kompetent Bescheid wusste. Langsam ging sie neben den Männern her, mit entschlossenem Schritt, den man jedoch nie als sportlich hätte bezeichnen können. »Sie war eine hundertprozentige Levantinerin«, sagte Iturri, »und ihr Bemühen, die abendländische Mode und Lebensweise zu übernehmen, änderte keineswegs etwas an diesen eindeutigen, wesentlichen Zeichen, die für dieses Völkergemisch typisch sind. Ja mehr noch, je besser man sie kannte, desto mehr merkte man, dass sie mit ihrem arabischen Blut nicht nur zufrieden, sondern stolz darauf war.«
    Sie gingen in die Kapitänskajüte zurück, um weiterzusprechen, und Warda schlug vor, die Halle des Hotels aufzusuchen, wo sie logierte. »Dort ist es bequemer, und wir können etwas trinken. Oder vielleicht möchte der Kapitän hier noch etwas sehen?« Jon schoss der Gedanke durch den Kopf, eine oberschülerhafte Schmeichelei von sich zu geben, etwa: »Hier gibt es nichts mehr zu sehen außer Ihnen.« Es war kaum eine Versuchung, und er unterdrückte sie sogleich, erinnerte sich seltsamerweise aber noch immer daran. »Nein, das genügt. Von mir aus können wir gehen«, antwortete er, sich hinter seinen einfachen, aber untadeligen Manieren eines hundertprozentigen Basken verschanzend. In diesem Moment merkte er, dass ihn Warda manchmal interessiert, aber ohne Neugier anschaute. Sicherlich versuchte sie die beruflichen Fähigkeiten des Mannes abzuschätzen, von dem zu einem großen Teil die praktische Lösung ihrer Zukunft abhängen sollte. Als er zur Seite trat, damit sie die Trittleiter hinuntersteigen konnte, schaute ihn Warda mit einem Lächeln an, das ihre großen, regelmäßigen Zähne entblößte, deren Weiß an Elfenbein erinnerte. Die Haut hatte einen schwachen Olivton, den die Farbe der Kleider in deutlicher Absicht betonte. »Das Lächeln bedeutete Billigung«, erklärte mir Jon mit ein wenig rührendem Ernst, »Zustimmung, nicht nur zu meinen Gaben als Seemann, sondern zu etwas Persönlicherem. Aber es bedeutete auch nicht mehr, als dass sie sich über einige äußere Besonderheiten meines Aussehens und meiner Manieren zufrieden zeigte. Was jedoch mich betrifft, so war ich vollkommen bezwungen von dieser Mischung aus unfassbarer Schönheit, sicherer Intelligenz und einem streng definierten Charakter, den ihre Absicht zeigte, jedes Band zu zerreißen, das sie ans uralte Familientotem ihrer Leute band. In der Halle des kleinen, aber eleganten Hotels in Pola, wo Warda logierte, sprachen wir weiter vom Geschäft. Die Geschwister bestellten Fruchtsaft; obwohl sie sich nicht offen zur islamischen Religion bekannten, schienen sie gelegentlich bestimmte Koranregeln einzuhalten. Ich hatte den Eindruck, Abdul hätte uns gern bei einem alkoholischen Getränk Gesellschaft geleistet, habe es sich aber versagt, weil seine jüngere Schwester anwesend war. Der Gaviero bestellte einen Campari mit Gin und Eis und ich dasselbe, da ich meinen Grundsatz, vor dem Mittag niemals Alkohol zu trinken, ganz vergessen hatte. Dieses und noch weitere sehr deutliche Symptome zeigten mir, dass etwas in mir dabei war, sich für immer zu verändern, und dass der Ursprung dieses Wandels in Wardas Gegenwart lag. Ein weiteres Zeichen war, dass ich undifferenziert und ohne größere Vorreden die

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