Die letzte Fahrt des Tramp Steamer
Männer. Der Libanese hieß Abdul Bashur und genoss in den Handels-, Zoll- und Bankkreisen nicht nur Antwerpens, sondern auch anderer europäischer Hafenstädte einen guten Ruf. Freilich hatte er merkwürdig vielfältige Interessen, und nicht alle waren so durchsichtig und anscheinend auch nicht so klar definiert wie sein Hauptberuf als Reeder. Das war bei den Levantinern, ob Libanesen, Syrer oder Tunesier, normal, und Iturri war solches gewohnt, sodass sie ihn in keiner Weise überraschten oder verärgerten. Der andere, dessen Namen er nie deutlich verstehen konnte, der aber auch der Gaviero genannt wurde, wurde von Bashur mit uneingeschränkter Vertraulichkeit behandelt, und er hörte ihm mit größter Aufmerksamkeit zu, wenn es um den Seehandel und die Geschäfte der Frachter in den entferntesten Ecken der Welt ging. Der Baske konnte nicht herausfinden, ob Gaviero ein Spitz- oder ein Familienname war oder einfach eine Bezeichnung, die von einer Aktivität in seiner Jugend herrührte. Er war ein wortkarger Mann mit einem Sinn für etwas eigenen, beißenden Humor, sehr rücksichtsvoll und sensibel in seinen Freundschaftsbeziehungen, kannte die verblüffendsten Berufe und war sich, ohne gerade ein Frauenheld zu sein, weiblicher Gegenwart sehr bewusst, man könnte fast sagen, von ihr abhängig. Darüber machte er Bashur oft flüchtige, verschlüsselte Andeutungen, die der andere nur mit unbestimmtem Lächeln zur Kenntnis nahm.
Hier muss ich einen kurzen Exkurs machen, bevor ich mit der Geschichte des Kapitäns fortfahre. Gleich als dieser die Namen Bashur und Gaviero erwähnte, dachte ich, ich müsste ihm sagen, dass ich den Ersteren vom Namen her gut kannte, nämlich eben aus dem Mund des Letzteren, der ein alter Freund von mir war und dessen vertrauliche Mitteilungen und Erzählungen ich seit vielen Jahren sammle, da sie mir einigermaßen interessant erscheinen für Leute, die gern die Lebensläufe von außergewöhnlichen Menschen kennen lernen, von Leuten abseits der Bahnen, wie sie in der grauen Routine unserer Zeiten resignierter Dummheit die Regel sind. Ich dachte aber auch, wenn ich dem Erzähler meine Verbindungen zu dieser Person offenbare, könnte er mir entweder sein Vertrauen entziehen oder aber dabei Episoden auslassen, die Bashur oder den Gaviero betrafen. Also schwieg ich lieber. Als der baskische Seefahrer seine Geschichte beendete, wurde mir klar, dass ich gut daran getan hatte und dass es nichts hinzugefügt hätte, wenn ich ihm etwas mitgeteilt hätte, was für ihn zu einem Gestern gehörte, das auf immer, wenn nicht in der Vergessenheit, so doch in der Dunkelheit des Unwiederholbaren vergraben war. Ein weiterer Grund, der mich meine Verbindung zu seinen Teilhabern verschweigen ließ, war, dass sie bereits einen zweiten Zufall bildete, der in den verzweigten Geistesnischen des Basken ein verständliches Misstrauen oder wenigstens Zurückhaltung hätte wecken können angesichts dieser wiederholten, höchst seltsamen Koinzidenz. Der Zufall ist immer verdächtig – er wird in vielen Masken imitiert. Kehren wir nun zum Kapitän der Alción zurück.
Ihr Vorschlag war sehr einfach, würde aber, wie Iturri mir bereits angedeutet hatte, bei einer Annahme gegen sein Prinzip verstoßen haben, seine Dienste nur den großen Schifffahrtslinien anzubieten und das verschlungene, unvorhersehbare Abenteuer des Tramp Steamer stets zu vermeiden. In diesem Fall ging es darum, zu gleichen Teilen mit einem andern Partner einen Frachter zu betreiben, der sich zur Reparatur in der Werft von Pola befand. Es war ein Schiff von sechstausend Bruttoregistertonnen, mit geräumigen Laderäumen und zwei Kränen. Die Maschinen waren noch in gutem Zustand, obwohl sie seit dreißig Jahren ohne größere Reparaturen ihren Dienst versahen. Das Schiff gehörte einer Schwester Bashurs, die es von einem Onkel geerbt hatte. Warda, so hieß die Frau, wollte sich von den gemeinsamen Familieninteressen unabhängig machen. Die Betreibung dieses Schiffs würde ihr ein Einkommen sichern, mit dem sie ihr Vorhaben verwirklichen konnte. Abdul ließ sich nicht weiter über die Einzelheiten dieses Punktes aus, aber man konnte leicht daraus folgern, dass Warda europäisierter war als ihre beiden andern Schwestern und natürlich ihre zahlreichen Brüder. Abdul war nicht gegen das Unabhängigkeitsverlangen seiner Schwester, wünschte sich aber, wie es auf der Hand liegt, es könnte sich erfüllen, ohne den von den andern Bashurs gemeinsam betriebenen
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