Die letzte Flucht
diesem Ort gewesen sein, den er gar nicht kannte.
Die Beamten zogen verwirrt ab.
Finn Kommareck, Hauptkommissar, lautete die Unterschrift unter dem Antrag des Hausdurchsuchungsbefehls.
Was für ein seltsamer Name, dachte Dengler. Finn. War dasnun ein Mann oder eine Frau? Ein Finne vielleicht? Oder eine Finnin?
Nun, nachdem ihm der Name einmal aufgefallen war, fand er ihn immer häufiger in den Akten. Ein fleißiger Kollege. Als Chef der Sonderkommission tauchte ein Kriminalrat Sebastian Wirges auf. Das kannte er. Ein Häuptling. Finn Kommareck dagegen machte die Arbeit. Wie beim BKA , dachte er.
Es war auch Finn Kommareck, der die Hausdurchsuchung leitete. Diese Unterschrift stand jedenfalls unter dem Protokoll. Finn Kommareck. Er oder sie beschlagnahmte den Mercedes und ein Pepita-Jackett, das dem auf dem Foto ähnlich sah. Es hing im Einbauschrank im Schlafzimmer des Ehepaares Voss.
Die Kriminaltechnik hatte noch in der Nacht Jasmins Leiche nach Faserspuren abgesucht. Dazu wurde sie in dem aufgefundenen bekleideten, aber auch in nacktem Zustand vollständig mit Klebebändern abgeklebt. Es dauerte einen Tag, bis die Übereinstimmung der gefundenen Fasern mit Professor Voss’ Pepita-Jackett feststand. Finn Kommareck beantragte den Haftbefehl.
Die Festnahme war ein Medienereignis. Voss beendete gerade eine kleinere ambulante Operation, als er dringend nach draußen gerufen wurde. Er ging noch im grünen, blutverschmierten Kittel durch die Tür, der Mundschutz baumelte lose vor seiner Brust, als ihn ein Blitzlichtgewitter blendete. Die Staatsanwaltschaft wollte ihren Erfolg durch den Boulevard dokumentiert wissen und hatte zwei Zeitungen informiert. Dengler sah sich die Fotos an. Man sah einen Teil der Charité, einen mit wildem Wein bewachsenen Türeingang, daneben eine gusseiserne Bank. An einer modernen Glastür prangten unübersehbar gleich drei große Verbotsschilder: eine rot durchgestrichene Zigarette, ein durchgestrichenes Handy und ein ebenso rot durchgestrichener Hund. Auf der rechten Seite stand auf einem weißen Schild in großenschwarzen Lettern: Sauerbruchweg; und auf der anderen Seite war gut zu lesen: Christoph Wilhelm Hufeland Haus – Ambulanzen . Auf den Fotos sah man Voss mit aufgerissenen Augen, offensichtlich vom Blitzlicht verstört, noch im grünen OP – Kittel. Sein Bart war gepflegt und sorgfältig geschnitten. Charité-Prof irrer Mörder von Jasmin , lautete eine Schlagzeile.
Auf das Fragezeichen verzichtete das Blatt.
Dengler studierte ein weiteres Foto. Im Vordergrund war ein kleiner, dicker Polizist, Mitte vierzig, maximal Ende vierzig. Kriminaldirektor verhaftet den mutmaßlichen Mörder . Auf dem Foto befanden sich noch eine Reihe anderer Personen. Eine junge Frau, mehrere Polizisten in Uniform, einige Kriminalbeamte in Zivil. Welcher wohl der fleißige Ermittler mit dem seltsamen Namen war? Dengler fand es nicht heraus.
Am nächsten Tag lieferte das Labor den endgültigen Beweis per DNA – Analyse: Das Sperma in Jasmins Körper stammte von Bernhard Voss. Wahrscheinlichkeit 99,99 Prozent.
»Professor Voss ist des Mordes an Jasmin überführt«, erklärte die Staatsanwaltschaft in einer Presseerklärung, die er in den Akten fand. Dengler sah es ebenso.
***
Dengler klappte die Akten zu. Er rieb sich die Augen. Die Beweislast war erdrückend. Gute Arbeit der Polizei.
Er ging in Lehmanns Büro.
Der Anwalt saß hinter einem riesigen schwarzen Schreibtisch und starrte hinunter auf die Friedrichstraße. Müde sah er Dengler an.
»Was sagen Sie?«
»Unwahrscheinlich, dass er’s nicht war.«
»Ich weiß. Sehen Sie Schwachstellen in der Argumentation der Staatsanwaltschaft?«
Dengler setzte sich.
»Nehmen wir einmal an«, sagte er, »Voss ist wirklich unschuldig. Dann gibt es zwei Ansatzpunkte. Erstens: Wer hat Jasmin entführt? Zweitens: Wo kommt das Sperma her? Unser Professor muss es in den vierundzwanzig Stunden vor der Tat abgesondert haben. Spermien leben nur vierundzwanzig Stunden lang.«
Lehmann notierte sich etwas.
»Wir werden ihn danach befragen«, sagte er.
»Ich habe mit seiner Frau telefoniert«, sagte er dann. »Voss ist krank. Er leidet an Morbus Crohn. Unangenehme Sache. Der Haftschock kann einen neuen Schub auslösen. Ich bin dabei, mich um einen Arzt zu kümmern.«
»Hat er nicht etwas gesagt von einem neuen Schub?«
»Ja. Es ist ernst.«
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14. Zweite Nacht
Die Nacht war schlimmer als die Hölle.
Das Grübeln. Er konnte nicht aufhören zu
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