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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Ergebnisbericht zur Untersuchung der Leichenflecke. Er hatte beim Bundeskriminalamt gelernt, dass dreißig Minuten nach dem Tod eines Menschen mit bloßem Auge sichtbare Leichenflecken auftraten: kleine blauviolette Flecken, die zunehmend größer wurden. Sie entstanden, wenn das Herz nicht mehr schlug, daher kein Blut floss und der Blutkreislauf aussetzte. Dann sanken die roten Blutzellen, die den Leichenflecken ihre Farbe gaben, entsprechend den Gesetzen der Schwerkraft in den Gefäßen nach unten und wurden nach außen hin sichtbar. Lag eine Leiche auf dem Rücken (und wurde nicht umgedreht), so bildeten sich die Flecken ausschließlich auf dem Rücken des Toten. Innerhalb von 48 Stunden lassen sich die Leichenflecke mit einem kräftigen Druck noch wegdrücken, weil das Blut in den Adern noch beweglich ist.
    Jasmins Flecken ließen sich noch leicht wegdrücken; das bedeutete, dass sie vor zwölf Stunden noch gelebt haben musste.
    Die Körpertemperatur, die sofort von den zuerst eingetroffenen Polizisten rektal gemessen wurde, betrug 37 Grad. Dengler wusste, dass die Differenz zwischen der Körpertemperatur des Leichnams und der Umgebungstemperatur ein weiterer wichtiger Hinweis auf den Todeszeitpunkt ist. Bei einem Erwachsenen bleibt die Körpertemperatur nach dem Tod etwa drei Stunden unverändert, also bei etwa 37 Grad, dann fällt sie um ein Grad Celsius pro Stunde. Aus der Differenz kann man also Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt ziehen. Es ist ein kompliziertes Verfahren, bei dem unterschiedlichste Faktoren berücksichtigt werden müssen: Bekleidung, Körpergewicht, Umgebungstemperaturen und Windstärken.
    Professor Kokost zog aus der Tatsache, dass Jasmins Körper noch nicht abgekühlt war, den Schluss, dass Täter und Opfer noch vor zwei oder drei Stunden am Tatort gewesen sein mussten.
    Dem entsprach auch, dass Jasmins Pupillen noch auf das Einträufeln von Augentropfen reagierten. Dies konnte maximal bis zu zwölf Stunden nach dem Tod der Fall sein.
    Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt. Sie beginnt in der Regel eine halbe Stunde nach dem Tod. Zuerst erstarrt das Kiefergelenk, dann die Schulter- und Ellenbogengelenke und nach zwei bis vier Stunden die Hüft- und Kniegelenke. Nach zwei Tagen löst sich die Leichenstarre wieder auf.
    Jasmins Knie ließen sich noch bewegen.
    Die Polizisten am Tatort gingen davon aus, dass Jasmin vergewaltigt worden war. Es fand sich eine Flüssigkeit an Bauch und Unterhose des Mädchens. Professor Kokost bestätigte noch am Tatort durch den Säure-Phosphatase-Schnelltest, dass es sich dabei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um Sperma handelte. Bei der späteren Obduktion fand er auch Sperma in der Scheide des Kindes. Die Spermien bewegten sich noch. Die Vergewaltigung lag also ebenso wie der Mord erst einige Stunden zurück.
    Dengler konnte sich die Wut der Polizisten leicht vorstellen, auch ihre Entschlossenheit, diesen Verbrecher zu fassen.
    Dass Voss festgenommen wurde, lag an der klaren Systematik der Polizeiarbeit. Eine Mordermittlung war wie eine Maschine, die sich vorhandene Spuren einverleibte, sie verdaute, Ergebnisse ausschied und neuen Hinweisen unter ihnen nachging, die wiederum Spuren zeigten. Die Sonderkommission wies die Verkehrspolizei an, alle fotografischen Blitzanlagen zu kontrollieren und jene Fahrzeughalter zu ermitteln, die in der betreffenden Zeit im Umkreis des Tatortes geblitzt worden waren. Es wurden Zeugen gesucht.
    Der Wagen von Bernhard Voss wurde um 1.11 Uhr in der Innenstadt von Erkner, nur wenige Minuten vom Tatort entfernt, von einer stationären Blitzanlage fotografiert. Er raste mit 96 Stundenkilometern durch den Ort. Eine Kopie des Fotos lag bei den Akten. Es zeigte eine schwarze Mercedes-Limousine der E-Klasse. Hinter dem Steuer saß ein Mann. Das Gesicht war nicht zu erkennen, da die Sonnenblende heruntergeklappt war. Gut ausgeblendet vom Blitz waren jedoch das Nummernschild B- BV – 334 und das schwarz-weiß karierte Jackett, das der Mann am Steuer trug.
    Voss machte sich bei der ersten Zeugenbefragung verdächtig. Zwei Beamte wollten wissen, ob ihm an diesem Abend in Erkner etwas aufgefallen sei. Zur Verblüffung der beiden Polizisten bestritt Voss, dass er in Erkner gewesen sei. Er sei zu Hause gewesen. Der Wagen auf dem Foto könne nicht sein Wagen sein, weil der in der Garage gestanden habe. Es sei sein Nummernschild, das schon, der Wagen sehe so aus wie sein Auto, das gab er auch zu, aber sein Mercedes könne nicht in

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