Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
um Jerusalem, ein Krieg, der vom Meer ausgelöscht wurde, wie auflaufendes Wasser ein Lagerfeuer am Strand löscht. Solche Dinge werden jetzt in aller Welt geschehen. Der Wasserspiegel steigt mit einer Geschwindigkeit von etwas mehr als hundert Metern pro Jahr. Einhundert Meter! Das wird die menschlichen Gesellschaften unter enormen Druck setzen. Regierungen, Konzerne, Kulturen werden unter der Belastung bröckeln und zerbrechen. Und darum habe ich dieses Schiff gebaut.« Er ging auf und ab, als dächte er sich seine Rede gerade erst aus. »Zuallererst stellt es eine Zuflucht dar. Dies sollte immer ein Ort sein, wo wir leben könnten, wenn wir aus den Anden hinausgeworfen würden. Nun, das haben wir offenbar erreicht, nicht wahr? Aber ich habe auch noch andere Ziele. Ich will Hoffnung bringen.« Er machte eine Handbewegung zum Deck, zu den Schornsteinen hin, die sich über ihnen erhoben. »Als Junge habe ich die alte, an ihrem Kai in Long Beach einbetonierte Queen Mary gesehen. Soweit ich weiß, ist sie immer noch dort und liegt gefangen auf dem Grund des Meeres. Ich habe mich sofort in das alte Mädchen verliebt.«
    Das ist es also, dachte Lily. Nostalgische Sehnsucht nach einem Kindheitsabenteuer.
    »Darum habe ich sie jetzt in dieser neuen Gestalt wieder zum Leben erweckt. Die Queen Mary war die Krönung der britischen Schiffsbautradition, die bis zu Brunel und noch weiter zurückreichte. Die Leute waren fasziniert von ihr, von ihrer Bauweise, ihrem Stapellauf, ihren Leistungen, den von ihr aufgestellten Rekorden. Sie war ein technologischer Triumph, eine Mondrakete ihrer Zeit. Und sie war schön, eine
Vermählung von Kunst und Technik, eine Synthese, die wir irgendwo im Lauf der Zeit verloren haben. Und darum wollte ich ein schönes Schiff bauen, mit dem wir in See stechen können, nicht bloß irgendeinen Kahn, ein weiteres schäbiges Floß. Jedem anderen verdammten Ozeandampfer ist schon längst der Treibstoff ausgegangen, und er ist in ein schwimmendes Flüchtlingszentrum verwandelt worden. Die Queen Mary repräsentiert den Gipfel ihrer Zeit, der technologischen Zivilisation, die uns hervorgebracht hat. Jetzt ist sie wieder da, und sie ist unterwegs, obwohl ich gehofft hatte, noch ein Jahr warten zu können, so dass sie an ihrem hundertsten Geburtstag vom Stapel gelaufen wäre. Aber so ist es nun mal. Auf unserer Reise um die Welt soll sie im Bewusstsein derjenigen, die sie erblicken, die Hoffnung repräsentieren, das Streben nach Zivilisation. Sie wird ein Symbol sein für all diese schäbigen Floßgemeinschaften auf dem Wasser und die ertrinkenden Flüchtlinge an Land, ein schwimmender Beweis dafür, dass eines künftigen Tages, wenn diese verdammte Flut uns alle loslässt, wieder so etwas Schönes erschaffen werden kann.«
    »Ich kann mir kaum das Lachen verkneifen«, flüsterte Lily Piers zu.
    »Du warst schon immer skeptisch, was Nathans Ambitionen betrifft«, gab Piers leise zurück. »Vergiss nur nicht …«
    »Dass ich auf seinem Schiff bin. Ich weiß, ich weiß.«
    Jetzt kam Lammockson zu seinem letzten Motiv für den Bau des Schiffes.
    »Es ist für meinen Sohn«, sagte er, ohne Hammond dabei anzusehen. »Mein einziger noch lebender Verwandter, soweit ich weiß. Der Träger meiner Gene und meiner Träume.«
Nun drehte er sich zu Hammond um, der seinen Blick finster erwiderte. »Ich habe das alles für dich getan, Hammond. Es war immer für dich, das weißt du. Selbst wenn ich dich zurückgewiesen, mich von dir abgewandt, dich bestraft oder in schroffem Ton mit dir gesprochen habe, es war alles nur zu deinem Besten. Das habe ich dir mein ganzes Leben lang immer und immer wieder erklärt. Tief in deinem Innern weißt du das auch, nicht wahr?«
    Hammond starrte ihn weiter finster an.
    »Aber du hast mich verraten.« Lammockson sprach leise. Alle an Deck waren jetzt so still, dass jedes Wort deutlich zu vernehmen war. »Du hast dich mit meinen Feinden verbündet, mit Ollantay, diesem Narren. Du hast ihnen Zutritt zu Project City verschafft. Deine Handlungen hatten zur Folge, dass alles zerstört wurde, was ich zwanzig Jahre lang aufgebaut hatte. Aber weißt du, was ich tun muss? Ich muss dir vergeben. Knie vor mir nieder, Sohn.«
    Hammond rührte sich nicht. Lily sah, wie sich seine Hände öffneten und schlossen, wie seine großen Muskeln arbeiteten.
    Nathan nickte den Wachleuten zu. Einer von ihnen zückte einen Schlagstock und hieb Nathan von hinten gegen die Beine. Er grunzte vor Schmerz, seine Beine

Weitere Kostenlose Bücher