Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
auch einfach nur, uns fit zu halten.«
»Kristie meint, wir hätten nach unserer Rückkehr aus Barcelona mehr Therapie gebraucht.«
Piers schnaubte. »Wenn ich mich recht entsinne, ist London damals gerade überschwemmt worden. Das war kaum der richtige Zeitpunkt für lange Sitzungen auf der Couch, oder?«
»Vielleicht nicht, aber …«
»Nicht wir sind es, die Macken haben, Lily. Nicht wir sind psychotisch, ganz gleich, wie lange wir an Heizungen gekettet waren. Es ist die Welt. Die Welt ist psychotisch. Ich meine, hast du dir das etwa so vorgestellt, dass wir unsere alten Tage auf diese Weise verbringen würden? Und außerdem bist du, offen gesagt, eine der normalsten Personen auf diesem Schiff, die ich kenne, Lily. Wenn du den Verstand verlierst, sind wir alle zum Untergang verurteilt.«
»Kann schon sein.« Aber sie fühlte sich nicht immer so normal - nicht, wenn sie in den frühen Morgenstunden in ihrer Koje wachlag, allein mit sich selbst, und dem tiefen Ächzen des Schiffsrumpfs lauschte, während sich die Arche unaufhörlich über das tiefer werdende Weltmeer vorankämpfte.
Wenn sie nach diesen sieben Monaten auf See zurückblickte, so waren die ersten paar Tage und Wochen der Reise außergewöhnlich gewesen.
Das gesellschaftliche Leben der Projekt-City-Oberschicht hatte sich auf die Arche verlagert, schrill, klatschsüchtig und irgendwie verzweifelt, als wäre dies nur eine x-beliebige exotische Kreuzfahrt. Im großen Restaurant waren allabendlich viergängige Dinner serviert worden, und Lammocksons Lieblings-Flüchtlingsstreichquartett hatte in der Verandah Bar gespielt. Amanda wäre in diesen ersten Tagen in ihrem Element gewesen, dachte Lily traurig.
Aber diese Fassade von Kreuzfahrtluxus war nicht von Dauer gewesen. Lily hatte zwar ihre Suite behalten können, doch es war reichlich lange her, dass jemand gekommen war, um ihre Minibar aufzufüllen. Tatsächlich bewahrte sie jetzt ihre Strümpfe darin auf. Die stets künstliche Grenze zwischen »Passagieren« und »Besatzung« war in einer grotesken Szene zusammengebrochen, als Lammockson versucht hatte, einen Angehörigen des Küchenpersonals zu disziplinieren, weil er eine Passagierin geschwängert hatte. Sie gehörten jetzt alle zur Besatzung; jeder von ihnen hatte eine Aufgabe.
Und so wie sich die Beziehungen der Menschen an Bord zueinander geklärt hatten, waren auch die internen Funktionen des Schiffes reorganisiert worden. Lammockson hatte Anweisung gegeben, ein paar Bereiche - wie die Laufbahn auf dem Promenadendeck - für Erholung und Training zu reservieren, aber andere waren umgewidmet worden und dienten nun lebenswichtigen Funktionen wie der Entsalzung.
Einer der Swimmingpools wurde inzwischen zur Gewinnung von Mineralien genutzt. Man leitete elektrische Ströme
durch Meerwasser, damit die darin gelösten Mineralien sich auf einem Metallgewebe absetzten. Das Wasser war voller Kalziumkarbonat, den Überresten der Schalen winziger Meeresgeschöpfe, mit dem sich eine Art Beton herstellen ließ. Auch Magnesium war in einer Konzentration von etwa einem Kilogramm pro Tonne Meerwasser vorhanden. Lammocksons Plan bestand darin, die Bausubstanz des Schiffes mit Hilfe dieser Materialien zu erhalten. Für Lily war es ein mirakulöser Anblick, wie diese Substanzen aus dem Nichts erschienen; sie hatte keine Ahnung gehabt, dass Meerwasser so gehaltvoll war.
Ihre OTEC-Anlage war ein Experiment zur Gewinnung einer anderen Ressource aus dem Wasser: Energie. OTEC stand für Ocean Thermal Energy Converter; es handelte sich also um ein Meereswärmekraftwerk. Die Differenz zwischen der warmen Meeresoberfläche und den tiefen Schichten, wo die Temperatur immer nur ein paar Grad über dem Gefrierpunkt lag, betrug etwa zwanzig Grad; so wie es dort unten immer dunkel war, so war es dort auch kalt. Aus dieser Temperaturdifferenz sollte der OTEC nützliche Energie gewinnen. Das schwimmende Floß saß auf einem Stiel, der mehr als einen Kilometer tief in den Ozean hinabreichte. Das warme Oberflächenwasser wurde ein wenig abgekühlt, das kalte Tiefenwasser ein wenig erwärmt, und der Wärmestrom zwischen beiden konnte angezapft werden. Am größten war die Temperaturdifferenz in der Wärme der Tropen, wo Lammockson für den größten Teil des Jahres mit seiner Arche herumzufahren hoffte.
Die Vermischung des nährstoffreichen Tiefenwassers mit dem Oberflächenwasser hatte jedoch eine Nebenwirkung.
Um den OTEC herum blühten Algen in einem wilden Fressund
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