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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Villegas wurde immer zorniger.
    In ihrer Zeit auf See war Villegas - nachdem er seinen Schock über die Ereignisse in Project City überwunden hatte - unter den Baronen um Lammockson herum immer weiter aufgestiegen. Lily fragte sich, ob seine Beziehung zu Amanda ihn in Project City irgendwie zurückgehalten hatte. Jetzt sah sie den Scharfblick und die Entschlusskraft, die ihm vor der Flut überhaupt erst zu seinem Vermögen verholfen haben mussten.

    Gleichzeitig wichen jedoch seine Ansichten über das Schiff und dessen Besatzung, ihre Mission und ihre Bedürfnisse immer mehr von Lammocksons Vision ab. Villegas wollte, dass die Reise so bald wie möglich endete, bevor sie ein tödlicher Unfall ereilte, was gewiss irgendwann geschehen würde. Lammockson hingegen wollte, dass sie überhaupt nicht endete. Im Lauf der Zeit wurden ihre Differenzen erdrückend. Villegas und Lammockson waren wie zwei Dinosaurier, dachte Lily, die Letzten ihrer Art, die sich kampfbereit gegenüberstanden. Nachdem eine dieser Parlamentssitzungen beinahe mit einem Aufstand geendet hätte, sorgte Lammockson dafür, dass seine loyalen AxysCorp-Cops zusammen mit ihm auf der Bühne waren, mit gut sichtbaren Waffen an der Seite.
    Es war typisch für ihn, dass er insgeheim dennoch einen Kompromiss zu finden versuchte. Lily, die immer noch zu seinem engsten Kreis gehörte - wenn auch nur wegen Grace -, entdeckte diesen Wandel in kleinen Hinweisen, seinem Ton bei Gesprächen oder in Subtexten bei Beratungen. Er war nicht bereit, seinen Traum von einer schwimmenden Stadt aufzugeben, aber er akzeptierte inzwischen, dass er zumindest kurzfristig Unterstützung vom Land brauchen würde. Es war jedoch auch typisch für ihn, dass er seinem hochrangigsten Mitarbeiter und wichtigsten Herausforderer, Juan Villegas, nichts von dieser Änderung seiner Ansichten mitteilte.
    Lily musste sich unterdessen mit ihren eigenen Problemen befassen.
    Es kam der Tag, an dem Grace sich weigerte zu essen. Lily wurde von Schuldgefühlen gepeinigt. Sie hatte Grace
erzählt, wie sie sich in ihren Verliesen in Barcelona mit Hungerstreiks gegen die »Väter der Auserwählten« gewehrt hatte, und Grace damit selbst auf diese Idee gebracht. Nun machte Grace, die in einer anderen schwimmenden Zelle in Geiselhaft saß und von Lammockson unter Druck gesetzt wurde, genau dasselbe.
    Aber Lammockson war nicht gewillt, sich ihr zu beugen. Er drohte, Grace von seinen Ärzten zwangsernähren zu lassen, wenn das erforderlich sei, um sie am Leben zu erhalten. Lily verbrachte viel Zeit mit ihr und bemühte sich, einen Ausweg aus diesem Chaos zu finden, Grace irgendwie dazu zu bringen, aus eigenem Antrieb nachzugeben.
     
    Der Meeresspiegelanstieg überschritt die Höhe von einem Kilometer, eine weitere schreckliche Marke. Es gab plötzliche Schübe und Pausen, aber immer noch keine Anzeichen, dass sich das von Thandie vorhergesagte exponentielle Wachstum - eine Verdopplung alle fünf Jahre - verlangsamen würde. Über diese nackte Tatsache sprach jedoch niemand.
    Die Arche fuhr südwärts über Istanbul und das Marmarameer und durch die Dardanellen in die Ägäis. Von dort aus passierte sie Suez und folgte dem Verlauf des Roten Meeres bis in den Indischen Ozean.
    Dann wandte sie sich nach Nordosten und durchquerte Indien. Sie folgte den Flusstälern und hielt auf die Grenze zu Nepal zu. Indien lag zu großen Teilen tief unter Wasser, aber die Meeresoberfläche war nirgends frei von Müll - den Ölschlieren, den Inseln aus unzerstörbarem Plastikabfall, die sich langsam in den trägen Strömungen drehten, und den aufgeblähten, nackten Leichen, die wie Ballons aus den verrottenden
Ruinen unter ihnen emporstiegen. Hier hatten einst Milliarden gelebt; Milliarden mussten gestorben sein.
    Für Lily war es eine große Erleichterung, als sie am nördlichen Horizont Land sichteten, die Ausläufer des Himalaja, braune, zerklüftete Gipfel. Sie hatten Nepal erreicht.

79
    Ein Landungsboot brachte einen der wasserstoffgetriebenen Panzerwagen des Schiffes an Land, und Lily wurde mit Lammockson, Piers und ein paar AxysCorp-Gorillas in Richtung Kathmandu gefahren. Villegas blieb mit der Befehlsgewalt über das Schiff zurück.
    Sie fuhren schmale, gewundene Straßen entlang, die in grüne Hügel hinaufführten. In kleinen, übervölkerten Dörfern sahen ihnen die Menschen apathisch nach. Hin und wieder hatten sie einen freien Blick auf die höheren Gipfel im Norden. Aber diese Gipfel glänzten nicht weiß wie

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