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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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gefunden und zur Erleichterung aller der Besatzung der Arche übergeben.
    Sie verbrachten mehrere Wochen auf dem vergrößerten Genfer See, trieben Handel, trainierten und renovierten das Schiff. Während dieser ganzen Zeit musste Grace auf der Arche bleiben, bewacht von AxysCorp-Wachleuten, und Lily fühlte sich einmal mehr an Barcelona erinnert.

78
    JUNI 2037
    Von Genf aus fuhr die Arche vorsichtig zur Donauquelle bei Donaueschingen. Dann lenkten die Steuermänner das Schiff nach Osten, folgten dem versunkenen Flusstal durch Süddeutschland und Österreich und überquerten dabei die Stellen, wo Ulm, München, Regensburg, Linz und Wien in der Tiefe lagen. Jede Stadt wurde von dem üblichen Film aus Unrat und aufgequollenen Leichen sowie von einer Ansammlung ausgehungerter Floßgemeinschaften markiert, die mit den Seemöwen um Speisereste kämpften. Es war ein trauriges Ende für Europa, dachte Lily.
    Lammockson verschärfte allmählich die Sicherheitsmaßnahmen auf dem Schiff. Er gab Anweisung, die Standorte der Großstädte weiträumig zu umfahren, und richtete auf dem Promenadendeck eine vierundzwanzigstündige bewaffnete Patrouille ein. Alle Gruppen, die mit dem Boot zu hoch gelegenem Gelände geschickt wurden, waren schwer bewaffnet. An Bord entwickelte sich eine angespannte, ängstliche und besorgte Stimmung.
    Es war eine Erleichterung, als die Arche den Standort von Budapest überquerte und südwärts über die niedrigere ungarische Ebene fuhr. Die hiesigen Städte lagen tief unten am Grund des stillen Meeres und hatten an der Oberfläche keine Spuren ihrer Existenz hinterlassen. Jenseits von Belgrad
musste die Arche durch ein ziemlich schmales Tal, wo die Donau der rumänischen Grenze folgte. In den nördlich gelegenen Karpaten hatten irgendwelche Gemeinschaften überlebt, wie man an den aufsteigenden Rauchfahnen erkennen konnte, aber auf Lammocksons Funkbotschaften kam keine Reaktion.
    Fast zwei Jahre nach ihrem Aufbruch von Chosica häuften sich nun die Probleme auf dem Schiff. Der OTEC, die Aquakulturexperimente, selbst die Meeresbetonanlagen erwiesen sich als schwerfällig und problematisch, und die begrenzten Fabrikationsanlagen des Schiffes konnten mit der Nachfrage nach Ersatzteilen nicht Schritt halten. Ohne die in der Schweiz erworbenen Teile hätten viele Systeme bereits versagt, schätzte Lily. Trotzdem mussten die Schiffssysteme ausgeschlachtet und innere Trennwände herausgerissen werden, damit Reparaturen am Rumpf und an den wichtigsten Schotts vorgenommen werden konnten. Das Schiff nahm allmählich ein schäbiges, verfallendes Aussehen an.
    Sie kamen durch ein breites Tal in der ehemaligen Walachei und fuhren an dem schaumigen Schmutzfleck vorbei, der den Standort von Bukarest kennzeichnete. Sobald sie die ehemalige Küste des Schwarzen Meeres passiert hatten, ließ Lammockson Anker werfen und begann mit einer grundlegenden Überholung des Schiffes.
    Im Verlauf der Ausbesserungsarbeiten intensivierte sich die Diskussion über die Zukunft des Schiffes. Das große Hauptrestaurant wurde für wöchentliche »Parlamentssitzungen« genutzt, wie Lammockson die Zusammenkünfte nannte, bei denen jeder zur Sprache bringen konnte, was immer ihm auf dem Herzen lag. Bei diesen Sitzungen war Juan Villegas
der ranghöchste Vertreter derjenigen, die Lammocksons unveränderte, fundamentalistische Zukunftsvision angriffen.
    »Seien wir realistisch, Nathan«, sagte Villegas. »Wir haben elementare Bedürfnisse. Frisches, an Land gezüchtetes Gemüse. Saatgut, wenn wir es bekommen können. Sogar Muttererde. Grundlegende Vorräte jeglicher Art. Und was immer wir kriegen können, um das Schiff zu renovieren.«
    »Nein. Du kennst meine Einstellung, Juan«, entgegnete Lammockson. »Wenn wir bei der erstbesten Gelegenheit gleich wieder anfangen, an den Zitzen des Landes zu saugen, werden wir uns nie von ihm entwöhnen. Was wir brauchen, sind Menschen. Ingenieure, Biologen, Ärzte. Visionäre, die das große Unabhängigkeitsprojekt vorantreiben.«
    »Visionen kann man nicht essen! Träume schwimmen nicht! Und wir brauchen nicht noch mehr Menschen. Ganz im Gegenteil, wir brauchen weniger . Wir müssen Mittel und Wege finden, die Besatzung zu verkleinern. Ihr habt die Zahlen gesehen, ihr wisst, dass unsere Vorräte nicht mit unserem Bedarf Schritt halten …« Villegas holte einen zwanzig Jahre alten Handheld hervor und scrollte durch die Tabellen. Aber Lammockson wollte sich nicht auf die Ergebnisse konzentrieren.

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