Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
Italiens herbeigeströmt waren. Lammockson war bestrebt, die Schweizer als langfristige Handelspartner zu gewinnen, ja er wollte ihnen sogar den Vorschlag unterbreiten, mit der Arche Meeresbergbau in ihrem Interesse zu betreiben.
Lily gehörte zwar nicht zum offiziellen Trupp, bekam aber dennoch Gelegenheit, kurz an Land zu gehen. Nach acht
Monaten auf See war es ein seltsames Gefühl, auf festem Boden zu stehen, nicht zu spüren, wie die Welt unter den Füßen schwankte. Der See war ein tiefblauer Spiegel, umringt von Bergen, die sich immer noch scharf umrissen und plastisch in die Ferne erstreckten, selbst wenn sie einen Großteil des Schnees eingebüßt hatten, von dem ihre Hänge einst bedeckt gewesen waren. Wenn man die Schweiz vorher nicht gekannt hatte, überlegte Lily, würde man gar nicht merken, dass irgendetwas an dieser Szene falsch war, dass sich etwas verändert hatte, dass unter dem Wasser dieses glitzernden Sees ganze Städte verrotteten.
Und vor dieser Kulisse lag die Arche auf dem Wasser wie ein Spielzeug, das im strahlenden Sonnenschein glänzte. Mit den Reihen übereinanderliegender Decks und den leuchtend roten Schornsteinen, die sich im Wasser spiegelten, sah das Schiff heute besonders hübsch aus. Zudem hatte Lammockson den Aufbau effektvoll mit flatternden Fahnen schmücken lassen. In solchen Momenten erhaschte Lily einen flüchtigen Blick auf das Verrückte und zugleich Geniale seiner Vision. In dieser überfluteten Welt, aus der so viele Errungenschaften der Menschheit getilgt worden waren, wirkte die Arche wie eine Besucherin aus einer anderen Zeit - nicht wie ein hochseetüchtiges Schiff, sondern wie eine Zeitmaschine.
Piers war de facto der Leiter des Landetrupps, aber Lammockson steckte Hammond in einen Anzug mit Krawatte und schickte ihn ebenfalls mit. Dies war nur einer seiner Versuche, den entfremdeten Sohn nach dem Verrat und der Demütigung im vergangenen Jahr langsam wieder für sich zu gewinnen. Lily glaubte, dass Hammond allmählich zu einer Verständigung mit seinem Vater gelangte. Aber ein Körnchen
Bitterkeit nistete für alle Zeiten in ihm, wie ein Samenkorn zwischen den Zähnen.
Weitaus beunruhigender fand sie Lammocksons Anweisung, Grace solle Hammond auf diesem Ausflug begleiten.
Er wünschte sich ganz offenkundig, dass Hammond sich eine Frau nahm und eine Familie gründete. Es war pures Eigeninteresse. Lammockson dachte, eine geeignete Beziehung würde Hammond zähmen und obendrein einen Kanal bieten, durch den seine - Lammocksons - Gene den Weg in die fernere Zukunft finden konnten. Hammond hatte sämtliche Kandidatinnen abgelehnt, die sein Vater ihm bisher vorgestellt hatte. Doch seit dem Beginn der Reise hatte Lammockson ein Auge auf Grace Gray geworfen. Vielleicht bot ihre Anwesenheit ihm eine Möglichkeit, zwei seiner Lieblingsprojekte miteinander zu verbinden: seinen Sohn und die lockere Familie ehemaliger Geiseln, die er zwei Jahrzehnte lang beschützt hatte. Und Lily merkte, dass Hammond nicht abgeneigt war, was Grace betraf.
Aber Grace wollte nichts mit Hammond zu tun haben. Ihr eigentümliches Leben in Walker City hatte sie einsiedlerisch und verschlossen gemacht, und Lily war sich fast sicher, dass sie noch Jungfrau war. Wann immer sie mit dem derben, zupackenden Hammond zusammen sein musste, zog sie sich noch weiter in sich selbst zurück.
Lily stellte sich ungern gegen Lammockson oder auch nur gegen Hammond. Aber sie verspürte Grace gegenüber eine Fürsorgepflicht. Sie versuchte, mit Piers darüber zu reden. Er war allerdings viel mehr Politiker, als Lily es je sein würde, und ließ sich lediglich zu der Bemerkung herab, die Dinge seien eben »kompliziert«.
Sie sah jedoch nicht, welchen Schaden Grace auf diesem Ausflug nehmen könnte, da sie und Hammond sich die ganze Zeit in der Öffentlichkeit aufhalten würden. Darum kehrte sie zum Schiff zurück und machte mit ihrer eigenen Arbeit weiter, während die Sorge um Grace in einem Winkel ihres Bewusstseins weiternagte.
Dann, vierundzwanzig Stunden nachdem er an Land gegangen war, rief Piers sie an. Grace war geflohen und in Neu-Genf verschwunden. »Es klingt, als hätte sie nur auf die Chance gewartet, von Hammond wegzukommen. Das Problem ist, wenn die Schweizer sie vor uns finden, werfen sie sie in den See. Die haben hier sehr harte Gesetze, was Flüchtlinge betrifft.«
»Ich bin gleich da«, sagte Lily und klappte das Handy zu. »Scheiße, Scheiße!«
Grace wurde von den Schweizern rasch
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