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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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doch andere mit dem Schlamassel fertigwerden. Lily nahm verwirrt zur Kenntnis, wie sehr sich die Welt an Katastrophen gewöhnt hatte. Manche dieser flüchtenden Plutokraten hielten nicht einmal mit dem Trinken inne, während sie zügig vom Schauplatz der Party zu ihrer Urlaubsmaschine geführt wurden.
    Schließlich bekamen Lily und Piers ihren Hubschrauber und hoben ab. Der Wind wurde immer stärker, und der Pilot konnte trotz seines enormen Geschicks nicht verhindern, dass der Vogel beim Hochsteigen erbebte. Der Rumpf ächzte, und der Motor brüllte, als die Rotoren in die turbulente Luft bissen.

    Es war keine lange Verzögerung gewesen, doch als sie in westlicher Richtung über Greater London hinwegflogen, waren bereits weite Gebiete überschwemmt. Der Fluss hatte die Deiche an beiden Ufern nahezu beiläufig überwunden; Gebäude, Laternenpfähle, Bäume ragten aus dem Wasser wie Spielzeug aus Pfützen. Überall an der Frontlinie des steigenden Wassers gingen die Evakuierungen in hektischer Eile weiter. Schlangen langsam vorrückender Pkws, Laster, Busse, Feuerwehrautos und Krankenwagen mit wie Juwelen glänzenden Scheinwerfern verstopften die Straßen. Dazu kam eine dichtere, Porridge-artige Masse, bei der es sich um zu Fuß flüchtende Menschen handeln musste, zu viele und zu weit entfernt, als dass man einzelne Personen hätte erkennen können: Menschen, die auf Partikel reduziert waren.
    Piers sah auf die Wasserfluten hinunter. Sein Blick war offen und intelligent, er lauschte dem Polizeifunk. Eine solche Situation müsste eigentlich seine besten Seiten zum Vorschein bringen, dachte Lily, seine Ausbildung zum Kommandeur, seinen Befehlsinstinkt. Aber er war bleich, und er hatte stark abgenommen, wie die anderen Geiseln auch. Ihre Befreiung lag gerade einmal sechs Tage zurück, und sie hatten alle nur begrenzte Reserven. Aber offenkundig würde die Welt nicht warten, bis sie sich erholt hatten.
    Als sie über das Themse-Sperrwerk hinwegflogen, ging der Pilot tiefer hinunter, damit sie sich die Szenerie genauer ansehen konnten. Das Sperrwerk, eine quer über den Fluss verlaufende Linie, wurde auf ganzer Länge überspült, und auf der stromaufwärts gelegenen Seite donnerte eine Art Wasserfall in die Tiefe, ließ Gischt aufspritzen und wühlte das Flusswasser auf.

    »Das ist ein Anblick«, sagte Piers leise, »von dem du deinen Enkelkindern erzählen kannst. Angeblich ein Jahrtausendereignis. Jetzt ist das Sperrwerk sogar selbst Gegenstand einer Rettungsoperation. In den Kontrolltürmen und irgend so einem Verbindungstunnel unter dem Fluss sind Leute gefangen. Die Beschützer der Stadt müssen selbst beschützt werden. Tja.« Er wandte sich schulterzuckend ab.
    Der Helikopter senkte die Nase und setzte sich wieder in Bewegung. Er flog stetig nach Westen.
     
    Endlich segelten sie über Greenwich hinweg. Der Pilot blieb hoch oben, um den bereits angelaufenen Rettungsoperationen nicht in die Quere zu kommen.
    Hier beschrieb der Fluss in einem riesigen, doppelten Mäander ein bauchiges S und schuf dadurch zwei Halbinseln, die eine am nördlichen, die andere am südlichen Themse-Ufer. Aus Lilys Perspektive pressten sie sich wie Yin-Yang-Zwillinge aneinander. Die dickere, herabhängende Halbinsel zur Linken war die Isle of Dogs, eine flache, von mehrere Hundert Jahre alten Hafenanlagen zerschnittene Landzunge; im Norden, an ihrem Hals, breitete sich der riesige neue Bürogebäudekomplex um Canary Wharf aus, hektarweise glänzendes Glas. Die schlankere Halbinsel zur Rechten, die sich von Süden nach oben schob, war Greenwich. An ihrer Spitze sah Lily deutlich die stachelige, schmutzig graue Scheibe des Dome - früher einmal Millennium Dome, jetzt »The O2« genannt. Irgendwo da unten waren ihre Schwester und die Kinder.
    Das ganze Gebiet lag nur ein paar Kilometer westlich des überfluteten Sperrwerks. Das Wasser drang im Norden und
Süden bereits auf das Land vor, verschlang Kais und Anleger, überflutete verstopfte Straßen. Hubschrauber hingen über der Landschaft wie Engel der Verzweiflung.
    »Unglaublich«, sagte Piers Michaelmas. »Vor dreißig, vierzig Jahren gab es hier nur die Hafenanlagen, im Wesentlichen verlassen und verfallen. Und jetzt schau dir das an. Die Polizei sagt, in den Büroblocks und Freizeiteinrichtungen da unten befänden sich momentan mehr als eine halbe Million Menschen. Es ist eine Blase, eine riesige Zusammenballung von Menschen.«
    »Und alles auf der Schwemmebene.«
    »Im Nachhinein

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