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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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wenn du sie finden willst. Und an deiner Stelle würde ich es schnell tun.«
    Der fragliche Baum war zum Glück eine Sequoia; das heißt, es waren viele Äste zum Klettern da, und dort, wo es keine Äste gab, befanden sich Eulennester und Spechthöhlen und andere Löcher und Vertiefungen, wo Mrs Noyes’ Zehen Halt finden konnten, während sie gehorsam Krähes Anweisungen befolgte: »Nach links – nach rechts – weiterklettern!«
    Endlich konnte Mrs Noyes sehen, wo Krähe saß, fünf oder sechs Meter unterhalb des Baumwipfels, und – genau darunter, zwei oder drei Äste tiefer, bot sich ihr ein Anblick, mit dem Mrs Noyes nicht mehr gerechnet hatte.
    Mottyls Schwanz.
    Wie alles andere war er mit goldenem Schimmer überzogen – und er zeigte hinunter auf Mrs Noyes, hing über den Rand von etwas, das wie ein sehr großer aus Reisigbündeln gemachter Sonnenhut aussah.
    Mit letzter Kraft zog Mrs Noyes sich hoch, bis sie in diesen umgedrehten »Sonnenhut« hineinschauen konnte, und dort war, sehr nass – aber auch sehr lebendig – Mottyl.
    Sie war unversehrt.
    Mrs Noyes war zu müde, um zu schimpfen und zu müde, um zu weinen, sogar zu müde, um sich zu freuen. Ihre Kraft reichte nur noch für ein einziges Wort.
    »Hallo.«
     
     
    Als Mrs Noyes zum letzten Mal auf der Wiese vor der Arche auftauchte, war es der siebte Tag, nachdem der Regen angefangen hatte. Er hatte sich von golden zu silbern verwandelt – von silbern zu grau und von grau zu schwarz. Und in diesem tintenschwarzen Regen stand sie vor Noah; ihre Schürzen waren voller Äpfel, ihr Haar hing lose herunter, ihre Schuhe lösten sich auf und ihre Haut strotzte vor Drecktupfern und blauen Flecken.
    Noah stand auf seinem gewohnten Platz auf Deck, geschützt von dem schwarzen Regenschirm, den die immerwährend anwesende Hannah festhielt.
    »Nun. Du hast also endlich Vernunft angenommen.«
    »Ja…«
    »Ich habe dich nicht gehört.«
    »Ja, Herr«, sagte Mrs Noyes.
    »Deine Wanderschaft ist zu Ende?«
    »Ja, Herr.«
    »Und du stimmst mir zu?«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst…«
    »Du stimmst mir zu, dass wir dem Edikt gehorchen müssen?«
    Mrs Noyes fuhr mit der Zunge über die Lippen, die seltsam trocken waren. Auch ihr Mund war trocken und es fiel ihr äußerst schwer zu sprechen. Noah war geduldig. Er war bereit zu warten.
    »Ja. Ich… stimme dir zu. Ja.«
    »Sag mir, was in den Schürzen ist!«, sagte Noah.
    »Hast du die Absicht, das alles an Bord zu bringen? Was ist es? Andenken? Kerzenleuchter? Familienerbstücke? Hier ist kein Platz für solches Gelumpe, weißt du. Was ist es?«
    Mrs Noyes sammelte genug Speichel, um zu fragen: »Welche Frage soll ich jetzt beantworten?«
    »Spiel mir nicht die Kokette, meine Liebe! Die Tage sind für immer vorbei.«
    »Ja, Herr.«
    »Was ist in den Schürzen?«
    »Äpfel.«
    »Äpfel?« In der Frage lag weder Ärger noch Vorwurf. Eher so etwas wie Belustigung. »Also – endlich hast du es geschafft, hast unbefugterweise das Tor passiert.«
    »Nein, Herr. Ich bin über die Mauer geklettert. Das Tor war abgeschlossen.«
    »Das stimmt. Na – hast du dich dabei gut amüsiert?«
    »Nicht so sehr. Ich habe mir am Glas den Oberschenkel aufgeschnitten.«
    »Aha. Na, genau deswegen war das Glas ja da. Und jetzt willst du die Früchte deines unbefugten Handelns mit an Bord bringen – stimmt’s?«
    »Ja. Wenn ich darf…«
    Doktor Noyes schaute auf die Schürzen, die prall im Schlamm vor den Füßen seiner Frau lagen.
    »Bist du sicher, dass außer Äpfeln nichts drin ist?«, hakte er nach.
    »Ja, Herr. Nur Äpfel.«
    »Vielleicht solltest du mal die Bänder aufmachen, damit ich reinschauen kann…«
    Mrs Noyes hustete und versuchte, ihre Haare zurechtzuzupfen, aber sie fielen ihr gleich wieder ins Gesicht und sie musste sie andauernd vom Mund entfernen.
    »Du scheinst sehr nervös, meine Liebe.«
    »Nein. Nein, bin ich nicht. Ich bin… ich bin müde, Noah. Meine Güte – seit Tagen laufe ich herum. Ich musste Lotte begraben. Ich wollte meine Katze finden… es gab nichts zu essen. Ich bin müde, das ist alles.«
    Noah sagte: »Ham und Luci haben dich überall gesucht. Als sie ohne dich zurückkamen, glaubte ich fast, du wärest tot.«
    »Ich bin aber nicht tot. Ich bin hier.«
    »Hast du deine Katze gefunden?«
    »Nein.« Mrs Noyes weinte vor Erschöpfung. »Ja.«
    Doktor Noyes beugte sich nach vorn.
    Hannah beugte sich ebenfalls vor und neigte den Schirm, damit sein Rücken nicht nass wurde. Dadurch war sie

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