Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
unter dem Beinamen ›Yasu, der Säufer‹ ein Yakuza -Mitglied von bedeutendem Rang, wurde aber 1939 einberufen und habe mit meiner anerzogenen Draufgängerei in China allerhand angerichtet. Chinesische Mädchen vergewaltigt. Wenn die Vergewaltigung rauskommt, werd ich bestraft. Also hab ich die Mädchen hinterher umgebracht. 1942 wurde ich Zugführer. Da war in meinem Zug ein Untergebener, der unbeirrt an der Menschlichkeit festhielt. Wenn ich 'ne Schweinerei begangen hab, war der todelend. Unser Lager ist dann unter Luftangriffe geraten, und beim Rückzug zum nächsten Lager sind wir mehr als 20 Tage ohne was zu essen rumgelaufen. Wir sind alle zu wilden Tieren geworden, und nur der Bursche hat in der Situation noch die Wurzeln, die er ausgegraben hatte, mit mir geteilt. Obwohl das eine Zeit war, wo jeder verzweifelt versucht hat, für sich was zu essen zu finden, hab ich das Zeug ungerührt und achtlos gefressen. Noch bevor wir das nächste Lager erreichten, trafen wir wieder auf feindliche ›Anteilnahme‹. Da hat dieser Untergebene meinen Leib geschützt, indem er sich auf mich warf; ihm verdanke ich, daß ich noch am Leben bin. Aber meine Ohren waren taub, die Zunge war verkrampft, und hatte ich auch meine Stimme noch, Sprache wurde da keine draus. Das Fleisch der Handfläche meiner rechten Hand war völlig weg. Da bin ich in die Heimat zurückgeschickt und wieder zusammengeflickt worden, nur die Hand ist leider nicht mehr zu gebrauchen. Deshalb haben sie mich vom Kriegsdienst freigestellt. Da hab ich geweint; ich hatte nämlich vorgehabt, im Gedenken an den Untergebenen, der für mich in den Tod gegangen ist, noch mal an der Front zu kämpfen. Ich war ein Mensch, der von dem Mann, der sich für mich geopfert hat, nicht mal ein einziges Erinnerungsstück mitgenommen hat. So einer war ich. Schamlos, ohne Courage zur Selbsterkenntnis, nur am Leben klebend. Jetzt tue ich Buße und habe Alkohol und Frauen entsagt.«
Sprach's, zeigte mir seine Hand, deren Finger wie eine Harke verkrümmt waren, und legte sich schlafen, wobei er mir seinen Rücken zudrehte. Ich schämte mich dafür, ein bißchen argwöhnisch gewesen zu sein.
Nach diesem Zwischenfall bin ich immer mit Herrn Yasu gegangen. Er sagte kein einziges Mal, daß ich ihm lästig sei, und war nie gemein zu mir, sondern immer freundlich und hilfsbereit.
Zu der Zeit, als die Polizei energisch gegen die Einkäufer vorging, bin ich auch einmal von einem Polizisten erwischt worden. Ich wurde auf die Wache geführt und bekam zu hören, daß man mir die Kartoffeln wegnehmen werde.
»Versucht nur, mir die wegzunehmen! Ich werd mich hier vor der Wache aufhängen! Gibt's das denn, daß jemand so eine Idiotie fertigbringt? Wenn ihr mir das Zeug wegnehmt, verhungern wir alle! Gebt mir das wieder!«
Ich schrie und heulte Rotz und Wasser.
»Ein braves Mädel ist geliefert, was? Da, putz dir die Nase!«
Der Polizist gab mir ein Papiertuch.
»Sieh zu, daß du dich nicht noch mal erwischen läßt. Ich bin dienstlich verpflichtet, jeden festzunehmen, den ich sehe. Heute will ich mal nichts gesehen haben«, sagte er und ließ mich laufen.
Handel unter freiem Himmel
Als ich noch Geisha und Mätresse war, hatte ich zwar erfahren, wie sehr die Menschen zu fürchten sind, aber nicht geahnt, daß es so hart ist zu arbeiten. Ich hatte vorher schon einmal geschrieben, daß die Arbeit in der Bauholzfirma bei meiner Tante eine erste Überraschung für mich war; bis dahin hatte ich ernstlich geglaubt, daß es genügte, einen Teller zu haben, um was zu essen in den Bauch zu bekommen. Aber es ist halt so, daß man ohne Essen bleibt, wenn man nicht hart zupackt.
Es war eine Folge meiner zu schweren Arbeit, daß ich mich im März des Jahres, das auf meinen Einstieg als Einkäuferin folgte, für eine Woche ins Bett legen mußte. Auch hinterher kam ich nicht wieder ganz auf den Damm. Ich mußte einsehen, daß die Einkäuferei jedenfalls eine zu schwere Arbeit sei und mein Körper das nicht länger durchhalten würde.
Eines Tages, als ich über das Gelände des Chiba-Schreines ging, begegnete ich einem Koreaner namens Matsumura, den ich vom Sehen kannte. Ich fragte ihn um Rat, ob es nicht irgendwo Geld zu verdienen gab, und ließ mich mit dem Gefühl, nach einem rettenden Strohhalm zu greifen, als Seifenverkäuferin anstellen.
Das Schreingelände war ein lebhafter Schwarzmarkt unter freiem Himmel, fast ausschließlich von Koreanern betrieben. Ich mischte mich auch unter die
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