Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
Koreaner und hielt die Leute mit lautem Rufen an: »Ja, treten Sie näher, das ist Seife von Spitzenqualität! Sie bekommen keine rauhen Hände davon. Schaun Sie, wie sie schäumt!«
Ich zeige, wie die Seife schäumt, aber anfangs habe ich noch nicht den richtigen Tonfall drauf. Und von wegen keine rauhen Hände – und wie die rauh sind, die Haut schält sich in Placken! Wenn man diese Seife drei Tage lang liegen läßt,verschrumpelt das Zeug. Das kaufte ich für 15 Yen und verkaufte es für 20 Yen.
Hier ist die Grenze zwischen Hölle und Paradies. Wenn man sich nicht energisch behauptet und durchsetzt, stürzt man kopfüber in die Hölle, wenn man was falsch macht. Da wimmelt es vor Schrecken, die von der anderen Seite der Welt nicht zu sehen sind.
»Mädel, haste mal ne Kippe?«
Unter diesem Vorwand drängen sich so fiese Typen heran, die man ›Halbstarke‹ nennt. Innerlich zittere ich vor Angst, aber wenn ich mir jetzt eine Schwäche gebe, habe ich später immer wieder das Nachsehen. Ich nehme all meinen Mut zusammen und gebe zurück:
»Haben tu ich schon eine. Zu wem gehört ihr denn?«
»Was, Mädel, gehörst du auch mit dazu?«
»Ich? Mit dazu gehör ich nicht und bin auch nicht so schneidig wie ihr Jungs. Ich schaff hier nur für den Boß Matsumura.«
»Ach, du hast's mit dem Boß Matsumura?« sagen die Halbstarken und legen die kleinen Finger aneinander. [ 3 ]
»Das geht euch einen Dreck an, klar? Auf, langt zu!«
Ich halte ihnen Zigaretten hin und stecke mir auch eine an, aber die Hand, mit der ich sie anzünde, zittert fast.
Außerdem vergingen kaum je drei Tage, ohne daß es zu einem so handfesten Streit kam, daß jemand wie ich den Kopf einzieht. Trotzdem habe ich mich nach den ersten zwei Monaten auch an diese Art von Leben bestens gewöhnt, habe mir den richtigen Tonfall zugelegt und war so weit, daß sich auch die Seife immer besser verkaufte.
Wenn man die Wesensart der Koreaner näher kennenlernt,dann sind es ganz umgängliche Leute. Sind viele von ihnen beisammen, dann kommen sie mit lautem Geschrei immer in Fahrt, aber wenn sie allein sind, dann sind es Hasenfüße, die wie geprügelte Hunde die Ohren hängen lassen, den Schwanz einklemmen und sich in einer Haltung davonmachen, als würden sie klein beigeben. Ich fühlte mich ganz wie eine von ihnen, und wenn sie bei einem Streit verloren, ärgerte ich mich, stampfte vor Wut auf den Boden und dachte:
»Komm du mir nur noch mal, du Miststück, wenn ich nur stärker wäre …!«
›Gangsterbraut‹ bei den Halbstarken
Ich fühlte mich schon geradezu wie eine »Gangsterbraut« der Halbstarken. Eines Tages hatte mich ein etwa 35jähriger Anführer, der bei den Halbstarken Ganni hieß, wegen irgendeiner Geschichte angegiftet und wild auf den Tisch getrommelt, wo meine Seife aufgebaut war.
»Ich schmeiß dir das um!«
Weil vor meinem Stand immerzu Halbstarke rumlungerten, kamen keine Kunden zu mir, und ich wollte deswegen sowieso schon mal mit denen darüber reden. Ich tat, als wäre ich mutig, und sagte:
»Ganni, du bist doch der Anführer hier in der Gegend. Da kannst du aber nicht damit angeben, wenn du als Anführer kleine Mädchen wie mich quälst. Komm her, wir treffen uns heut abend mal am Unohana-Berg.«
Der Unohana-Berg ist gleich hinter dem Gokoku-Schrein.
»Okay, ich bring ein paar Leute mit«, antwortet Ganni.
»Was sagst du denn da, ich hab doch keine Keilerei vor, sondern will nur mal mit dir reden. Unter vier Augen. Ich will dich treffen, um von Mensch zu Mensch mit dir zu reden.«
Ich machte mich darauf gefaßt, am Abend, falls das Gespräch scheitern sollte, auch noch mein letztes Mittel aufzubieten. Es wäre mir schon recht gewesen, die Geliebte des Halbstarken-Anführers zu werden. Ich habe keinerlei Keuschheits-Begriff. Den hat mir niemand beigebracht. Und selbst wenn ich ihn hätte, dann wäre er in der Welt, in der ich bisher gelebt habe, nicht mal so viel wert gewesen wie eine leere Zigarettenschachtel.
Der Unohana-Berg war wie ein schöner Paradiesgarten, in dem Kamelien ihre Blütenpracht entfalteten. Ich warf mich vor Ganni nieder.
»Bruder, ich flehe dich an. Ich hab einen kleinen Bruder, der mir teurer ist als mein eigenes Leben. Du ahnst nicht, wieviel Elend es mir gebracht hat, daß ich keine Schulbildung habe. Ich will meinem kleinen Bruder wenigstens so viel Bildung ermöglichen, daß er seinen Namen schreiben kann. Wenn ich nur das schaffe, ist mir alles andere egal. Bis dahin will ich mich
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