Die letzte Generation: Roman (German Edition)
an Land getragen wurde, nachdem er von einem Schiff ins Meer gestürzt war. Glauben Sie, dass eine solche Sage auf Tatsachen beruhen könnte?«
»Ich glaube«, erwiderte Sullivan vorsichtig, »dass es einen recht zuverlässigen Bericht gibt, nach dem ein Walfischfänger verschluckt und dann, ohne Schaden genommen zu haben, wieder hinausbefördert wurde. Natürlich wäre er erstickt, wenn dieses Erlebnis länger als ein paar Sekunden angedauert hätte. Und er muss großes Glück gehabt haben, dass er nicht von den Zähnen erfasst wurde. Es ist eine fast unglaubliche Geschichte, aber sie ist nicht völlig unmöglich.«
»Sehr interessant«, sagte Karellen. Er blickte noch eine Weile auf den riesigen Kiefer, dann ging er zum Tintenfisch, um ihn ebenfalls zu begutachten. Sullivan hoffte, dass Karellen seinen Seufzer der Erleichterung nicht hörte.
»Wenn ich gewusst hätte, was ich durchmachen muss«, sagte Professor Sullivan, »hätte ich Sie aus meinem Büro geworfen, als Sie versuchten, mich mit Ihrem Wahnsinn anzustecken.«
»Es tut mir Leid«, erwiderte Jan, »aber wir haben ja noch einmal Glück gehabt.«
»Ich hoffe es. Jedenfalls alles Gute! Wenn Sie sich anders besinnen wollen, haben Sie immer noch mindestens sechs Stunden Zeit.«
»Ich brauche sie nicht. Nur Karellen kann mich jetzt noch aufhalten. Ich danke Ihnen für alles, was Sie getan haben. Wenn ich je zurückkomme und ein Buch über die Overlords schreibe, werde ich es Ihnen widmen.«
»Das wird mir viel nützen«, brummte Sullivan. »Dann bin ich schon viele Jahre tot.« Zu seiner Überraschung und leisen Bestürzung – denn er neigte ansonsten nicht zu Sentimentalitäten – stellte er fest, dass dieser Abschied ihm nahe ging. In den Wochen, die sie zusammen Pläne geschmiedet hatten, war Jan ihm sympathisch geworden. Überdies befürchtete er, dass er möglicherweise zum Komplizen eines verwickelten Selbstmordvorhabens geworden war.
Er hielt die Leiter, als Jan in das große Maul kletterte, wobei er es sorgfältig vermied, die Zahnreihen zu berühren. Im Licht der Taschenlampe sah Sullivan, wie Jan sich umdrehte und winkte, ehe er in der Höhle verschwand. Man hörte das Geräusch der sich öffnenden und schließenden Luftschleuse, danach herrschte Stille.
Im Mondlicht, das den erstarrten Kampf in eine Albtraumszene verwandelte, kehrte Professor Sullivan in sein Büro zurück. Er überlegte, was er getan hatte und wohin es führen konnte. Aber das würde er natürlich nie erfahren. Jan würde vielleicht eines Tages wieder über diesen Boden gehen, nachdem er nicht mehr als ein paar Monate seines Lebens darauf verwendet hatte, zur Heimat der Overlords zu reisen und zur Erde zurückzukehren. Wenn er es tat, würde es jenseits der unüberschreitbaren Zeitbarriere geschehen, weil dann achtzig Jahre vergangen wären.
Die Lichter im kleinen Metallzylinder flammten auf, sobald Jan die Innentür der Luftschleuse geschlossen hatte. Er erlaubte sich keine Zeit zum Nachdenken, sondern machte sich sofort an die routinemäßige Kontrolle, die er bereits in allen Einzelheiten ausgearbeitet hatte. Alle Vorräte und Ausrüstungsgegenstände waren schon vor Tagen verladen worden, aber erst nach der endgültigen Überprüfung hätte er die beruhigende Gewissheit, dass nichts ungetan geblieben war.
Eine Stunde später hatte er sich davon überzeugt. Er legte sich auf das Schaumgummilager und überdachte noch einmal sein Vorhaben. Das einzige Geräusch war das leise Surren der elektrischen Kalenderuhr, die ihm mitteilen würde, wenn die Reise sich ihrem Ende näherte.
Er wusste, dass er hier in seiner Zelle vermutlich nichts spüren würde, denn die gewaltigen Kräfte, die die Schiffe der Overlords antrieben, mussten auf irgendeine Weise kompensiert werden. Sullivan hatte sich davon überzeugt, indem er zu bedenken gab, dass sein Tableau in sich zusammenfallen würde, wenn es auch nur einer leicht erhöhten Schwerkraft ausgesetzt war. Seine »Kunden« hatten ihm versichert, dass in dieser Hinsicht keine Gefahr bestand.
Es würde jedoch zu einer erheblichen Veränderung des Luftdrucks kommen. Das war jedoch kein Problem, da die hohlen Modelle durch mehrere Öffnungen »atmen« konnten. Bevor Jan seine Zelle verließ, musste er den Luftdruck ausgleichen, denn er nahm an, dass die Luft im Schiff der Overlords für ihn nicht atembar war. Eine einfache Sauerstoffmaske würde dem abhelfen; umfangreichere Vorkehrungen waren gar nicht nötig. Wenn er ohne
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