Die letzte Jungfrau ...
durch Kratzen nicht lindern kann.”
“Du Armer! Auch wenn es nur ein schwacher Trost ist — du leidest nicht allein daran. Manche trifft es allerdings schlimmer als andere.”
“Mir geht es nur vor einem Hurrikan so”, erklärte er. “Vielleicht hängt es mit dem raschen Sinken des Luftdrucks zusammen, jedenfalls werde ich dann unglaublich rastlos. Für manche mag das einer Hochstimmung ähnlich sehen, für mich ist es eher eine Form von Wahnsinn. Ich kann dann nicht mehr richtig denken, nicht still sitzen, und meine Gemütsverfassung …”
“Könnte man als ‘ein bisschen gereizt’ beschreiben?”
Er lachte freudlos. “Ein ‘bisschen’ ist gut. Außerdem benehme ich mich dann manchmal völlig unvernünftig. Mit vierzehn Jahren wollte ich während eines Hurrikans aufs Dach klettern, um einen abgebrochenen Ast zu entfernen. Myrtle hat mich mit aller Kraft festhalten müssen, um mich daran zu hindern.”
“Oh Sam, wie du diesen Zustand hassen musst!”, rief Annie.
“Ja. Vor allem, weil er mir die Selbstkontrolle raubt. So, jetzt bist du gewarnt. Je näher der Hurrikan kommt, desto schlimmer wird es mit mir.”
Sie schlug einen humorvollen Ton an, um Sams Stimmung etwas aufzuhellen. “Bei mir hat er den gegenteiligen Effekt: Ich werde immer schläfriger.”
“Es wäre vielleicht eine gute Idee, wenn du dich ins Bett legst, während ich hier unten hin und her laufe.”
“So schlimm ist es?”, fragte sie mitleidig.
“Ja, und Mitleid macht mich nur noch gereizter.”
Annie lächelte. “Oh, hat man mir mein Mitgefühl deutlich angemerkt? Tut mir leid. Ich hasse es, wenn mir das passiert.”
Kurz sah er sie amüsiert an, und seine Gesichtszüge entspannten sich. “Und du solltest mich besser nicht so anlächeln.”
“Nein? Warum denn nicht?”
“Weil ich sonst versucht sein könnte, dich als Mittel zur Entspannung zu benutzen.” Er schob den Teller weg. “Und das wäre nicht die richtige Art, die Hochzeitsnacht zu begehen.”
“Ich dachte immer, genau dazu sei eine Hochzeitsnacht da, nämlich um all die interessanten kleinen Spannungen zu beseitigen”, sagte sie scherzend.
“Nein. Vielen Dank für das Angebot, aber in meiner jetzigen Stimmung nehme ich es lieber nicht an.” Sam stand auf und stieß den Stuhl zurück. “Wenn du nichts dagegen hast, sehe ich noch mal überall nach dem Rechten.”
Annie stand ebenfalls auf und ging zu Sam. Zaghaft legte sie ihm die Hand auf den Arm. “Kann ich dir irgendwie helfen?”
Plötzlich flackerte das Licht, strahlte dann aber wieder hell.
Sam biss kurz die Zähne zusammen. “Nein, danke. Am besten, du machst einen großen Bogen um mich, bis alles vorbei ist.” Er wich zurück und ballte die Hände zu Fäusten. Seine Anspannung wuchs sichtlich, während der Sturm draußen immer wütender tobte.
Noch nie hatte Annie sich so nutzlos und verunsichert gefühlt. Sam brauchte sie, aber sie wusste nicht, wie sie ihm helfen konnte. Plötzlich hatte sie eine Idee. Ohne ein weiteres Wort eilte sie nach oben und wartete im dunklen Flur, bis Sam auf seinem Kontrollgang das Schlafzimmer betrat. Geräuschlos folgte sie ihm, schloss die Tür und versperrte sie.
Das leise Klicken veranlasste Sam, sich umzudrehen. “Was machst du, Annie?”
“Ich habe beschlossen, mich nicht um meine Hochzeitsnacht bringen zu lassen.”
“Das ist keine gute Idee. Gib mir den Schlüssel.” Er streckte die Hand aus.
Betroffen sah Annie, dass seine Finger bebten. “Später.”
Draußen stürzte mit lautem Krachen ein Baum um, und das Licht verlosch. Sie tastete sich bis zum Nachttisch und zündete die dort vorsorglich bereitgelegten Kerzen an.
“Bitte, Annie”, flüsterte Sam rau. “Du willst das nicht wirklich. Lass mich hier raus!”
“Du brauchst mich, Sam. Ich kann dir helfen.”
“Das einzig Vernünftige wäre, mich rauszulassen und dann die Tür wieder abzuschließen. Also, wirst du vernünftig sein?”
Sie hielt den Schlüssel hoch, der im sanften Kerzenlicht glänzte, und ließ ihn dann in ihren Ausschnitt gleiten. “Beantwortet das deine Frage?” Langsam ging sie zu Sam, der sie mit unverhohlener Begierde ansah. “Du brauchst dich nicht mit mir zu unterhalten. Meinetwegen geh hin und her, wenn du dich dabei besser fühlst. Ich habe ohnehin noch einiges zu erledigen, bevor wir anfangen.”
Wieder stürzte ein Baum um, diesmal weiter vom Haus entfernt. Trotzdem fuhr Sam zusammen. “Was willst du erledigen?”, fragte er in einem Ton, als
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