Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
Martinis. Wie heißen Sie?«
» Clark.«
» Danke, Clark.«
Ich ging an Leonie vorbei und bedeutete ihr mit einer Kopfbewegung, mir zu folgen. Sie nahm ihren Rucksack und ihr Bierglas. Sie wartete, bis wir oben waren und ich die Tür geschlossen hatte.
» Mein Gott, was ist passiert?«, platzte sie heraus.
» Ich hab mir mindestens den Arm gebrochen.« Ich leerte meine Taschen aus: Autoschlüssel des Mietwagens, Brieftasche, Handy.
» Nein, Sam. Was ist mit Jack Ming?«
Ich schaute sie an. Das Gewicht meines Versagens wog plötzlich schwerer als der gebrochene Arm. » Er ist entwischt, Leonie. Wir haben ihn unterschätzt.«
» Du solltest ihn töten.« Sie sagte es im gleichen Ton, wie man sagen würde: Du solltest doch Milch holen. Ihr Mund zitterte. » Sam. Die Kinder. Sie bringen unsere Kinder um…«
Es klopfte an der Tür.
Ich legte ihr einen Finger an die Lippen. Clark kam herein, mit zwei Martinis auf einem Tablett. Ich dankte ihm. Er reichte ein Glas mir, das andere Leonie, die nur den Kopf schüttelte.
» Sind beide für mich«, sagte ich. Meine Stimme klang heiser.
» Vielleicht etwas anderes für Sie, Ma’am?«, fragte Clark. Es sprach für ihn, dass er so tat, als wäre alles wie immer. Sie schüttelte den Kopf und sah ihn kaum an, sichtlich bemüht, sich zu beherrschen. Er blinzelte verlegen und wandte sich mir zu: » Ich hab Bertrand angerufen, Mr. Capra. Er ist in fünfzehn Minuten hier. Ich hab ihm gesagt, dass Sie verletzt sind, und er hat gemeint, ein Arzt würde gleich kommen.« Er fand es vielleicht ungewöhnlich, dass ein Arzt einen Hausbesuch in einer Bar durchführte, doch er ließ sich nichts anmerken. Die Zeiten sind nicht einfach, und der junge Clark wusste seinen Job wahrscheinlich zu schätzen. Mir wurde bewusst, dass ich vielleicht unter Schock stand, und ich setzte mich erst mal.
» Danke, Clark.« Ich nahm einen Schluck Martini. Er war perfekt, wie gekühlter Stahl. » Wenn Sie die Martinis immer so mixen, können Sie ewig hier arbeiten.«
» Danke, Sir.«
» Sie gehen besser wieder hinunter.«
» Ja, Sir.« Er warf mir und Leonie noch einen kurzen Blick zu und schloss die Tür von außen.
» Netter Junge«, sagte ich.
Leonies Mund zitterte, als suchte sie nach den richtigen Worten. » Du hast ihn nicht getötet«, sagte sie, » und jetzt sitzt du hier und trinkst einen Martini?«
» Zwei. Ich hab keine Schmerzmittel hier.« James Bond trank Martini, wenn er einen Smoking trug und sich in charmanter Gesellschaft befand. Ich trank ihn, weil mein Arm gebrochen war, weil ich es gründlich vermasselt hatte und nachdenken musste, wie es jetzt weiterging. Ich musste mich beherrschen, um den Drink nicht in einem Zug hinunterzukippen. » Gestern hab ich einen Mann aufgespießt und einer Frau die Hand gehalten, während sie starb. Heute musste ich gegen zwei durchgeknallte Killerinnen kämpfen, die mich um ein Haar umgebracht hätten, außerdem hab ich meinen besten Freund zusammengeschlagen, bin auf einen fahrenden Bus aufgesprungen, hab ein Motorrad durch ein Fenster gejagt und mich mit einem Menschen, der mir nichts getan hat, von einem Dach gestürzt.« Ich sah sie mit gehobener Augenbraue an. » Und darum, Leonie, trink ich jetzt erst mal diesen Martini.«
Sie setzte sich mir gegenüber. » Erzähl, was passiert ist.«
Ich trank den ersten Martini aus und schilderte es ihr.
Leonie faltete die Hände wie zum Gebet. » Wir müssen Anna sagen, dass Jack Ming tot ist.«
» Sie anzulügen wäre das Todesurteil für unsere Kinder. Er hat nicht mit der CIA gesprochen und wird es vielleicht auch nicht mehr wollen, nach alldem. Das ist das Gute an der Sache.«
» Aber nicht gut genug. Er sollte tot sein. Du hast gesagt, du tust es. Du hast es versprochen.«
» Es tut mir so leid, dass ich dich enttäuscht habe. Aber du hättest ihn eigentlich finden sollen, und gefunden hab ich ihn, nicht du. Ich hab dir das auch nicht vorgehalten.« Meine Worte waren wie schmerzhafte Stiche. » Du hättest ihn in der Gasse erschießen können, aber du hast danebengeschossen. Also urteile nicht über mich.«
Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, öffnete ihn erneut.
Ich griff nach ihrer Hand. Sie zog sie nicht zurück. » Ich bin frustriert. Du hast natürlich recht. Ich hab’s vermasselt.«
Ich nahm einen langen Schluck vom zweiten Martini.
» Es tut mir leid, Sam. Ich weiß, du hast alles versucht. Es tut mir leid.«
» Weine nicht, wir holen sie zurück. Ganz sicher.«
Sie
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