Die letzte Minute: Thriller (German Edition)

der National Security Agency die beste Gesichtserkennungssoftware, die zurzeit verfügbar war. Mit Hilfe eines solchen Programms versuchte er, das Gesicht der Unbekannten zu rekonstruieren. Rötliches Haar, haselnussbraune Augen, kleine Nase, hohe Wangenknochen, Sommersprossen. Ihre leicht abstehenden Ohren ließen sie ein bisschen jünger wirken. Er schloss einige Male die Augen und versuchte sich ihr Gesicht in Erinnerung zu rufen. Ihr Kinn war ein bisschen spitz, der Hals eher dünn. Er schätzte ihre Größe auf eins fünfundsechzig, das Gewicht auf gut fünfzig Kilo. Als sein Bild fertig war, überlegte er: Wo soll ich suchen?
    Er ließ das rekonstruierte Gesicht mit dem Material in der CIA -Personaldatenbank vergleichen und bekam achtundneunzig Übereinstimmungen. Er sah sie durch. Die Gesuchte war nicht dabei.
    Er versuchte es mit einer Datenbank britischer Agenten. Schließlich hatte Sam einen großen Teil seiner Laufbahn in London verbracht. Ein Dutzend Übereinstimmungen, aber nur flüchtige Ähnlichkeiten.
    Auch die Datenbank für ehemalige CIA -Angehörige lieferte nicht das gewünschte Ergebnis.
    Special Projects war vor allem für Fälle zuständig, in denen die Aktivitäten der organisierten Kriminalität die nationale Sicherheit betrafen, und verfügte dementsprechend über eigene Datenbanken. August ließ sich daraus alle bekannten Computerhacker auflisten. Ming war Hacker, und die Rothaarige, die seinen Rucksack mitgenommen hatte, erschien ihm irgendwie merkwürdig. Obwohl es heute mehr und mehr weibliche Hacker gab, war es immer noch ein männlich dominiertes Gebiet. Falls sie in den Vereinigten Staaten oder in Europa einmal wegen Hackens festgenommen worden war, sollte ihr lächelndes Gesicht in dieser Datenbank erscheinen.
    Es erschien nicht.
    August stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Er aß die Pizza und kaute an den Salamischeiben, bis sein Kiefer schmerzte und der Hunger einigermaßen gestillt war. Er studierte ihr Gesicht, veränderte ihr Haar, machte es ein wenig länger, und setzte ihr eine Brille auf.
    Dann ging er in eine Datenbank für CIA -Informanten. Leute, die der Company Informationen verkauft hatten, von ausländischen Amtsträgern bis hin zu gewöhnlichen Kriminellen. Die Liste ging in die Tausende. Er gab das Gesicht der Frau ein und startete die Suche.
    Drei Übereinstimmungen.
    Und da war sie. Ihr Name in der Akte lautete Lindsay Partridge.
    Lindsay Partridge war vor zwei Jahren am 17. April aus New York verschwunden. August rieb sich die Augen. » Ja, hallo«, murmelte er.
    Sie hatte der Company Informationen über einen Fälscherring zugespielt, der sich auf Geld und Reisepässe spezialisiert hatte. Es war nie Anklage gegen sie erhoben worden. Sie war aus dem Ring ausgestiegen und untergetaucht, und die Behörden nahmen die übrigen Fälscher fest. Er öffnete ihre Akte. Keine weiteren Informationen. Sie hatte nie wieder für die Company gearbeitet. Er tippte ein spezielles Passwort für eventuelle verschlüsselte Teile in ihrer Akte ein, die nur für Special Projects zugänglich waren.
    Dieser Bereich ließ sich nicht öffnen. Das konnte nicht sein. August war schließlich zugangsberechtigt.
    Er rief Fagin an.
    » Was gibt’s?« Fagin klang müde und gestresst.
    » Wie kann es sein, dass ich zu einer SP -Akte keinen Zugang kriege? Ich hab den Zugangscode.«
    » Weiß ich nicht. Irgendjemand will offenbar nicht, dass Sie sie sehen. Vielleicht wurde die Operation beendet. Oder es handelt sich um etwas richtig Grausiges, das man Ihren armen Äuglein nicht zumuten mag.«
    » Knacken Sie die Sperre. Ich will an die Akte ran.«
    » Da müssen Sie sich schon ein bisschen gedulden. Wir haben irre viel zu tun.« Fagin klang genauso gereizt wie irgendein IT -Spezialist in irgendeiner Firma.
    » Jetzt sofort, Fagin. Das hat höchste Priorität.« Er nannte Fagin die Details der Akte. » Ich will wissen, was da drin ist. Geben Sie sie Ihrem schlauesten Twist. Jetzt gleich, sonst…«
    » Was sonst? Verdammt, ich hör nur noch Drohungen von euch.« Fagin legte auf.
    Was meinte er damit? Er würde Fagin fragen, sobald er zurückrief.
    Über die Tunnels, die Fagin und die Twists gruben, drang Special Projects in alle möglichen Datenbanken ein und spürte hier und dort Fußabdrücke auf, denen man folgen konnte. August sah sich noch einmal alle Informationen an, die ihm über Lindsay Partridge zur Verfügung standen. Seit jenem April vor zwei Jahren war ihr Konto nicht