Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
wenn das alles vorbei ist. Sind Sie damit zufrieden?«
» Sam ist nur ein Freund. Ich bin sein Boss. Mehr nicht.«
» Dann verpassen Sie etwas. Dieses Parkour-Laufen macht den Körper unglaublich geschmeidig und kräftig. Und er ist schon so lange allein, der arme Kerl.«
» Allein sind Sie sicher nicht. Jedenfalls nicht lange.«
» Höre ich da Eifersucht heraus?«
» Sie verwechseln Eifersucht mit Sorge um einen Freund.«
» Ich verwechsle hier gar nichts, Schätzchen.«
Mila sah sie mit einem schmallippigen Lächeln an. » Wissen Sie, was ich an Sam mag? Er ist nicht berechnend. Er weiß nicht, dass er attraktiv ist. Er denkt nicht darüber nach, und wenn Sie ihm sagen, er sieht gut aus, würde er es nicht wirklich glauben, sondern es für ein nettes Kompliment halten. Es macht ihm schwer zu schaffen, was ihm passiert ist. Er gibt sich selbst die Schuld daran, dass Daniel in Gefahr ist. Seine Frau hat er sehr geliebt, und jetzt traut er seinem Instinkt für Frauen nicht mehr. Er weiß nicht, dass er ein richtig guter Typ ist. Deshalb ist es zurzeit leicht, ihn auszunutzen.«
Leonie schwieg einige lange Sekunden, ehe sie antwortete. » Er ist kein Dummkopf, und ich nutze ihn nicht aus.«
» Es tut mir leid, dass Sie das durchmachen müssen. Dass die Ihnen das Kind weggenommen haben. Ich wäre dann auch nicht ich selbst.«
Das Mitgefühl schien Leonie zu verblüffen. » Sie wollen uns helfen, Mila, und dafür bin ich Ihnen dankbar. Ich bin im Moment wirklich nicht ich selbst, und vielleicht würden wir unter anderen Umständen gut miteinander auskommen. Doch Sam und ich müssen tun, was von uns verlangt wird, und Sie müssen mir verzeihen, dass ich nervös reagiere, wenn sich andere einmischen.«
Milas Handy vibrierte in ihrer Tasche. Sie musterte Leonie kurz und meldete sich dann. » Das ist ein Privatgespräch«, sagte sie nach einem Augenblick. » Macht es Ihnen was aus?«
Leonie stand vom Monitor auf. » Ich brauch sowieso eine Zigarette.« Sie nahm ihre Packung vom Schreibtisch. » Ich bin in einer Minute wieder zurück.«
Leonie ging nach unten, durch die gut gefüllte Bar und in die warme, feuchte Abendluft hinaus, wo sie sich eine Zigarette anzündete. Die ersten beiden Züge beruhigten ihre Nerven. Der Mann, der am Ecktisch gesessen hatte, stand jetzt an der Straßenecke. Er beobachtete sie.
Hatte Mila eine Kamera draußen vor der Bar? Wahrscheinlich. Diese Leute, die hinter Mila und Sam steckten, waren genauso gut organisiert wie Novem Soles. Sie tat so, als wäre ihre Packung leer, und schüttelte sie frustriert, dann drehte sie sich um und ging die Straße hinunter, weg von dem Mann an der Ecke.
An der nächsten Kreuzung bog sie links ab. Sie betrat ein Geschäft und kaufte eine Packung Zigaretten. Als sie den Laden verließ, fischte sie eine Zigarette heraus und suchte in ihren Taschen nach einem Feuerzeug.
Der Mann, den sie als Ray Brewster kannte, trat zu ihr und bot ihr Feuer an.
Sie blickte sich kurz um, besorgt, dass Mila ihr gefolgt sein könnte.
» Du siehst gut aus, Lindsay«, sagte er. » Ich würde gern sagen, ich hab dich vermisst, aber ich will unser kleines Gespräch nicht mit einer Lüge beginnen. Schließlich brauchen wir einander.«
» Warum bist du hier?« Es kostete sie einige Mühe, ruhig zu klingen.
» Aus zwei Gründen.«
Sie wartete.
» Erstens. Wenn du und dein Freund Jack Ming tötet, will ich das gesamte Beweismaterial, das er über die Neun Sonnen hat.«
» Das ist unmöglich.«
» Es muss möglich sein.«
» Ich kann es nicht stehlen, ich muss es abliefern, damit ich mein Kind bekomme.«
» Dann sagst du mir, wo die Übergabe stattfinden soll. Ich will es wissen.«
» Wofür brauchst du es?« Sie zog gierig an ihrer Zigarette. » Hast du die Seite gewechselt?«
» Nein, Schätzchen. Ich bin auf meiner Seite, wie immer.«
» Ich kann das nicht tun.«
» Doch, Lindsay, du wirst es tun.«
Sie blickte den Bürgersteig hinunter. Mila war nirgends zu sehen.
» Und der andere Grund?«
» Ist dir eine Frau namens Mila begegnet? Sie hat mit Capra zu tun.«
» Warum?«
» Ich will sie.«
Leonie nahm einen Zug von ihrer Zigarette. Ein Problem, das sich schnell lösen ließe, dachte sie. Drei Worte– sie ist oben –, und Mila würde ihr keinen Ärger mehr machen. Sie kannte Ray Brewster gut genug. Das Biest wäre so gut wie erledigt, sobald sie einen Fuß vor die Bar setzte.
Doch sie wollte nicht diejenige sein, die sie verriet. Obwohl sie Mila nicht
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