Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
ausstehen konnte, wollte sie Sam nicht hintergehen. » Ich kenne keine Mila«, sagte sie.
» Kennst du keine Frau, mit der Capra zusammenarbeitet? Sie ist Moldawierin, wird also mit einem osteuropäischen Akzent sprechen. Sie ist zierlich, hübsch, ein richtiges Miststück.«
» Nein. Er trifft sich mit niemandem in meiner Gegenwart.«
» Ich geb dir meine Telefonnummer.« Er sagte sie ihr, und sie wiederholte sie laut. » Wenn du mir das Beweismaterial auslieferst und diese Mila, sobald sie auftaucht, brauchst du in Zukunft keine Angst mehr zu haben. Ich sorge dafür, dass du mit deinem Kind für immer in Sicherheit bist, sobald du Taylor zurückerhältst.«
Sie bekam eine Gänsehaut. » Du weißt von Taylor?«
» Glaubst du, du kannst dich vor mir verstecken? Du überschätzt dich.«
» Warum hast du mich dann in Ruhe gelassen die letzten zwei Jahre?«
» Ich hab dich nicht gebraucht, Lindsay. Jetzt brauch ich dich. Und wenn du nicht genau das tust, was ich dir sage, wird Taylor verschwinden, und Leonie Jones wird ihr Kind nie wiedersehen.«
Sie hätte ihm am liebsten die glühende Zigarette ins Auge gedrückt. » Also wieder mal Erpressung. Du bist so ein Riesenarschloch. Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?«
» Nach allem, was du getan hast? Nein, Schätzchen. Ich wollte, dass du dich in Sicherheit wiegst, bevor ich dir dein Kind wegnehme. Novem Soles ist mir einfach zuvorgekommen.«
Sie blies ihm den Rauch ins Gesicht.
» Machst du immer noch falsche Papiere, falsche Pässe?« Er lachte. » Besonders gut kannst du falsche Gefühle. Das kauft dir jeder ab.«
» Ein Kompliment vom größten Schwindler.«
» Du kannst mich nicht beleidigen. Du hast mir schon das Herz rausgeschnitten, Lindsay, und jetzt hab ich das Messer an deinem dran.«
Sie rauchte schweigend.
Er hob ihr Kinn an, damit sie ihm in die Augen schaute. » Ich weiß alles, was die Neun Sonnen wissen. Du solltest wirklich das Rauchen aufgeben, Liebling. Wenn das alles vorbei ist, bist du die Einzige, die übrig bleibt. Außer mir. Und dann kannst du dein falsches Leben weiterführen.«
Er drehte sich um und ging.
Sie rauchte die Zigarette fertig. Widerliche Angewohnheit. Sie hatte schon zweimal aufgehört, ein deprimierender Gedanke. Reiß dich zusammen, sagte sie sich. Sie betrat noch einmal das Geschäft, kaufte sich eine Packung M&Ms und kehrte zur Bar zurück.
Mila hatte ihr Telefongespräch beendet und saß am Computer. » Wo waren Sie?«, fragte sie.
» Mir sind die Zigaretten ausgegangen.« Sie hielt die Bonbons hoch, die sie gekauft hatte. » Und ich wollte ein Friedensangebot machen. Schokolade ist doch eine universelle Sprache, nicht?«
» Ja«, sagte Mila, » ich glaube schon.«
74
Manhattan
Der Beobachter überblickte die Skyline von Manhattan. In den letzten zwanzig Stunden hatte er so viel wie möglich an Informationen aus seinem Erpressungsnetzwerk herausgeholt. Bevor Jack Ming es vielleicht zerstörte.
Wenn es ihnen nicht gelang, Ming auszuschalten und das Beweismaterial zu sichern, das er der CIA verkaufen wollte, würde der Beobachter seine Machtbasis innerhalb der Neun einbüßen und neu anfangen müssen. Aber selbst damit konnte er leben. Er war auch wieder auf die Beine gekommen, nachdem ihm Mila einen Großteil seines Geldes abgenommen hatte. Doch der drohende Verlust der Informationsquellen in Wall-Street-Firmen, aus dem Weißen Haus, dem Kongress, dem britischen Parlament und einem guten Teil der Fortune-500-Unternehmen wäre ein vernichtender Schlag gegen ihn. Die gefürchteten kriminellen Organisationen des zwanzigsten Jahrhunderts– Mafia, Yakuza, die kolumbianischen und mexikanischen Drogenkartelle– hatten nie über ihre eigenen Spione verfügt, über direkte Verbindungen zu den höchsten Mächten im Land. Diese Informationen waren der Sauerstoff im Blutkreislauf der Neun Sonnen, ein Wissen, das ihnen einen ungehinderten Schmuggel ermöglichte und ihnen in vielen Ländern die Polizei vom Leib hielt. Wie oft hatten sie nicht schon Geheimnisse an Regierungsbehörden und Unternehmen verkauft, die sie dadurch in der Hand hatten. Mit Hilfe von Jack Mings Software hatten sie ein Erpressungsnetzwerk aufgebaut, das ihnen binnen weniger Monate Insiderwissen im Wert von hundert Millionen Dollar eingebracht hatte.
Der Beobachter musste einen Ersatz für diese Machtbasis finden, und er hatte auch schon eine Idee.
Sein Handy klingelte, und er meldete sich.
» Hier ist Jack Ming.«
» Mein
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