Die letzte Mission
ersichtlichen Grund bewegungslos auf dem Gehweg stand. Nachdem er sich von dem Schock erholt hatte, ging er lässig zu dem Auto hinüber und stellte sich neben sie.
»Ich bin ein grauenhafter Automechaniker, aber dafür habe ich hin und wieder Anfälle von Mildtätigkeit.«
»In der Not frisst der Teufel Fliegen. Ich heiße Elise.« Als sie ihm die Hand entgegenstreckte, sah sie ihm direkt in die Augen und tat so, als würde sie seine alberne Kleidung und den spärlichen Haarwuchs auf seinem Kopf nicht bemerken. »Sind Sie nicht auch auf der Party gewesen? Sie haben die Wand gestützt, nicht wahr?«
»Genau. Das war ich.« Aus irgendeinem Grund war er davon ausgegangen, dass ihre Haut kühl war, doch dem war nicht so. »Machen Sie die Haube auf, dann sehe ich mir den Motor mal an.«
Nach einer dreiminütigen Untersuchung mit einer Taschenlampe, die sie aus dem Kram auf dem Wagenboden herausgezogen hatte, wusste er Bescheid.
»Wenn Sie das Wort hoffnungslos verwenden«, sagte sie, »meinen Sie damit ›etwas angeschlagen‹ oder ›nicht mehr zu retten‹?«
»Vermutlich irgendwas dazwischen. Eine Reparatur dürfte etwa zweihundertfünfzig Dollar kosten.«
»Ein paar kräftige Tritte werden wohl nichts nützen, oder?«
»Ich fürchte nein. Sind Sie Mitglied in einem Automobilklub?«
Sie schüttelte den Kopf.
Er bot ihr an, sie nach Hause zu fahren. Zu seiner Überraschung war sie einverstanden, obwohl es auf der Party nur so von Männern gewimmelt hatte, die ihren Arm hergegeben hätten, um sie begleiten zu dürfen.
Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie sie auf Politik zu sprechen gekommen waren, aber sie hatte sich wie erwartet als engagierte Liberale entpuppt, während er damals gerade mitten in der Die-Menschheit-ist-zum-Untergang-verdammt-Periode steckte. Jeden ihrer Pläne, mit denen sie den unterdrückten Massen beistehen wollte, zerpflückte er schon im Ansatz. Er hatte schon eine ganze Menge in seinem kurzen Leben gesehen und war zu dem Schluss gekommen, dass die Unterdrückten nur deshalb unterdrückt wurden, weil sie es nicht anders verdienten. Es ging nicht um schlechte Böden und Dürreperioden. Es ging um Kultur und Politik.
Er wusste heute noch nicht, warum er nicht einfach zu allem, was das hinreißende Geschöpf auf seinem Beifahrersitz von sich gab, ja und amen gesagt hatte. Vermutlich war es eine verhängnisvolle Kombination von Nervosität und Selbstzweifeln gewesen.
Als sie in der Auffahrt zu ihrem Haus aus dem Wagen gestiegen war, hatte sie vor Wut geschäumt. Deshalb hatte es ihn auch so überrascht, dass sie ihn am nächsten Tag angerufen und gesagt hatte, sie sei gerade in einem italienischen Restaurant in der Nähe ihrer Wohnung und lese etwas, um sich auf eine Fortsetzung ihrer Diskussion vorzubereiten.
»Matt?«, sagte Elise. »O Matt, Liebling.«
Er zuckte zusammen. »Ja?«
»Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als würdest du für einen Zombiefilm vorspielen.«
»Ähm, ich muss auf Geschäftsreise.«
»Wie bitte?«
»Hat sich erst heute so ergeben.«
»Von was redest du da? Wann?«
»Ich muss schon heute Abend weg.«
»Heute Abend?«
»Es hat sich gerade erst ergeben.«
»Das hast du schon gesagt.«
Er nickte stumm. Fade war vermutlich noch dabei, sich an seine neue Realität zu gewöhnen, doch bald schon würde er die Lage unter Kontrolle haben. Dann würde niemand voraussehen können, was er tun würde. Nein, das stimmte nicht. Eigentlich war klar, was er vorhatte.
»Wie lange wirst du weg sein?«
»Das weiß ich nicht so genau.«
»Einen Tag? Einen Monat? Ein Jahr?«
»Eine Woche vielleicht.«
»Wo musst du hin?«
»Mal hierhin, mal dorthin …«
Elise stand für einen Augenblick der Mund offen. Dann strich sie Kali über den Kopf und sagte ihr, sie solle fernsehen gehen.
»Aber ich bin doch noch gar nicht fertig.«
»Dein Publikum kann es in Gedanken vervollständigen, Kleines. Dann dient es als Katalysator für ihre Vorstellungskraft.«
Kali hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, aber ihr war sofort klar, dass sie heute länger fernsehen konnte. Sie rannte aus der Küche, bevor ihre Mutter es sich anders überlegte.
»Setz dich, Matt.«
»Der Abwasch ist noch nicht fertig.«
Sie wies auf einen Stuhl, und er gehorchte.
»Was ist los?«
»Nichts.«
»Sag mir, dass es kein Kampfeinsatz ist. Darüber haben wir geredet, bevor wir Kali adoptiert haben. Du bist zu alt und hast jetzt eine Familie. Du bist ein Bürohengst.«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher