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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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wenigstens einige Jahrhunderte überdauern.
    Innerhalb der Kuppeln fiel es nicht schwer, die Außenwelt vollkommen zu vergessen. Als Poole mit der Technik der Bowman-Suite zu Rande gekommen war, stellte er fest, daß er die Wahl unter einer begrenzten Anzahl aber dafür um so eindrucksvollerer Landschaftsdisplays hatte.
    Er konnte am Pazifikstrand unter Palmen sitzen und dem sanften Plätschern der Wellen oder nach Belieben auch dem Tosen eines tropischen Hurrikans lauschen. Er konnte langsam über die Gipfel des Himalaya oder durch die gewaltigen Schluchten des Mariner Valley fliegen. Er konnte in verschiedenen, historisch weit auseinanderliegenden Epochen durch den Park von Versailles oder durch die Straßen eines halben Dutzends großer Städte schlendern. Das Hotel Grannymed mochte nicht die mondänste Urlaubsadresse im Sonnensystem sein, doch vor diesem Angebot wären seine berühmteren Vorgänger auf der Erde ausnahmslos vor Neid erblaßt.
    Aber wenn man durch das halbe Sonnensystem gereist war, um eine fremde, neue Welt kennenzulernen, war es lächerlich, sich in Sehnsucht nach der Erde zu verzehren. Nach einigen Experimenten fand Poole zu einem Kompromiß, der ihm in seiner ständig knapper werdenden Freizeit Genuß – und geistige Anregung – versprach.
    Er hatte stets bedauert, nie in Ägypten gewesen zu sein, deshalb fand er es herrlich, unter dem Blick der Sphinx – vor der umstrittenen ›Restaurierung‹ – entspannt auf dem Bett zu liegen und zuzusehen, wie die Touristen die massiven Steinblöcke der Cheopspyramide erklommen. Bis auf einen Streifen Niemandsland, wo die Wüste an den (etwas abgetretenen) Teppich der Bowman-Suite grenzte, war die Illusion perfekt.
    Einen Himmel wie diesen hatten menschliche Augen freilich erst fünftausend Jahre, nachdem in Gizeh der letzte Stein eingefügt worden war, zu sehen bekommen. Denn er war keine Illusion; er war Realität, vielschichtig und wandelbar wie alles auf Ganymed.
    Diese Welt hatte nämlich – wie die anderen Monde – schon vor Ewigkeiten durch Jupiters Gezeitensog ihre Eigendrehung verloren, und so hing die neue, aus dem Riesenplaneten entstandene Sonne reglos am Himmel.
    Ganymeds eine Seite wurde ständig von Luzifer beschienen, die andere Hemisphäre wurde oft als ›Nachtland‹ bezeichnet, was jedoch ebenso irreführend war wie einst der Ausdruck ›die dunkle Seite des Mondes‹. Denn wie die Rückseite des Mondes, so lag auch Ganymeds ›Nachtland‹ während einer Hälfte seines langen Tages im gleißenden Licht der guten alten Sol.
    Es war ein eher verwirrender als hilfreicher Zufall, daß Ganymed fast genau eine Woche – sieben Tage und drei Stunden – brauchte, um seinen Primärkörper zu umrunden. Versuche, einen Kalender auf der Basis ›Ein Med-Tag = eine Erdenwoche‹ zu erstellen, hatten ein solches Chaos heraufbeschworen, daß man sie schon vor Jahrhunderten aufgegeben hatte. Ganymed richtete sich wie alle Bewohner des Sonnensystems nach Universalzeit und bezeichnete seine vierundzwanzigstündigen Standardtage mit Zahlen anstatt mit Namen.
    Da Ganymeds neue Atmosphäre noch immer sehr dünn und nahezu wolkenlos war, bot die Parade der Himmelskörper ein endlos faszinierendes Schauspiel. Bei größter Annäherung erschienen Io und Callisto etwa halb so groß wie der Mond von der Erde aus gesehen – aber das war auch die einzige Gemeinsamkeit. Io war Luzifer so nahe, daß er in knapp zwei Tagen um ihn herumraste und man seine Bewegung schon innerhalb von Minuten wahrnehmen konnte. Callisto, mehr als viermal so weit von Luzifer entfernt, zog in zwei Med-Tagen – oder sechzehn Erdentagen – gemächlich seine Bahn.
    Noch auffallender waren die physikalischen Unterschiede zwischen beiden. Callisto, eine reine Eiswelt, hatte sich durch Jupiters Verwandlung in eine Minisonne kaum verändert: Es war immer noch eine Wüste voller flacher Eiskrater. Auf dem ganzen Satelliten fand man keinen Fleck, der damals, als die starken Schwerefelder des Jupiter und des Saturn noch um die Wette den Schutt aus dem äußeren Sonnensystem einsammelten, nicht mehrfach bombardiert worden wäre. Nun gab es schon seit etlichen Jahrmilliarden nur noch vereinzelte Treffer.
    Auf Io war jede Woche etwas los. Ein ganymedischer Spötter hatte einmal gesagt, Io sei schon vor Luzifers Erschaffung die Hölle gewesen – Luzifer habe nur noch die Öfen geschürt.
    Oft vergrößerte Poole diese brennende Landschaft und schaute den Vulkanen, die Gebiete von mehr als

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