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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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der Größe Afrikas beständig umgestalteten, in den schwefliggelben Rachen. Manchmal schossen weißglühende Fontänen Hunderte von Kilometern hoch ins All, als wüchsen gigantische Feuerbäume aus dieser leblosen Welt. Wenn Vulkane und Schlote Ströme flüssigen Schwefels ausspien und sich das unstete Element nach Art eines Chamäleons in seine verschiedenfarbigen Allotrope verwandelte, durchlief es das ganze Spektrum von Rot-, Orange- und Gelbtönen. Vor dem Beginn der Raumfahrt hätte niemand eine solche Welt für möglich gehalten. Poole fand es faszinierend, sie aus sicherer Entfernung zu betrachten, doch er konnte es kaum fassen, daß jemals Menschen gelandet sein sollten, wo nicht einmal Roboter sich hinwagten …
    In erster Linie galt sein Interesse jedoch Europa, das bei größter Annäherung fast genauso groß erschien wie der Mond der Erde, aber seine Phasen in nur vier Tagen durcheilte. Poole war sich der Symbolik nicht bewußt gewesen, als er sich seine Privatlandschaft zusammenstellte, doch im Nachhinein erschien es ihm sehr passend, daß Europa über einem zweiten großen Rätsel – der Sphinx – am Himmel hing.
    Selbst wenn Poole auf jede Vergrößerung verzichtete und sich Europa wie mit bloßem Auge ansah, konnte er erkennen, wie sehr es sich in den tausend Jahren seit dem Start der
Discovery
zum Jupiter verändert hatte. Das Netz aus schmalen Streifen und Linien, das den kleinsten der vier Galileischen Monde einst vollkommen eingesponnen hatte, war verschwunden. Nur an den Polen war die kilometerdicke Eiskruste, die einst die ganze Welt bedeckt hatte, noch intakt. Europas neue Sonne hatte sie nicht schmelzen können. Anderswo brodelten und zischten jungfräuliche Ozeane in der dünnen Atmosphäre, und es herrschten Temperaturen, die man selbst auf der Erde als angenehm empfunden hätte.
    Und so empfanden sie auch die Wesen, die an die Oberfläche gekommen waren, seit es die Eisschicht, die ihnen Schutz und Gefängnis zugleich gewesen war, nicht mehr gab. Spionagesatelliten, die selbst zentimetergroße Details zeigten, hatten aus dem Orbit mitverfolgt, wie eine europanische Spezies das Amphibienstadium erreichte. Die ›Europs‹ hielten sich immer noch viel unter Wasser auf, aber inzwischen hatten sie begonnen, einfache Gebäude zu errichten.
    Eine solche Entwicklung innerhalb von tausend Jahren war erstaunlich, und niemand zweifelte daran, daß die Erklärung dafür im letzten und größten Monolithen, der kilometerlangen ›Großen Mauer‹ am Gestade des Galileischen Meers zu finden war.
    Und niemand zweifelte daran, daß der Monolith auf seine unergründliche Weise über das Experiment wachte, das er auf dieser Welt eingeleitet hatte – wie vier Millionen Jahre zuvor auf der Erde.

19
Der Wahn der Menschheit
    MISS PRINGLE
    DATEI – INDRA
    Meine liebe Indra – verzeih, daß ich mich noch nicht einmal per Voicemail gemeldet habe – die Entschuldigung ist natürlich die übliche, ich kann sie mir also sparen.
    Um deine Frage zu beantworten – ja, ich fühle mich im Grannymed inzwischen wie zu Hause, allerdings bin ich immer seltener hier, obwohl mir das Himmelsdisplay, das ich mir in meine Suite habe legen lassen, nach wie vor sehr gut gefällt. Letzte Nacht hat Ios Strömungsröhre eine tolle Schau abgezogen. Die Strömungsröhre ist so etwas wie eine Blitzfabrik zwischen Io und Jupiter – ich meine Luzifer. Ähnlich wie die Nordlichter der Erde, aber viel spektakulärer. Wurde schon vor meiner Geburt von Radioastronomen entdeckt.
    Da wir gerade von alten Zeiten sprechen – hast du gewußt, daß Anubis einen Sheriff hat? Für meinen Geschmack kehrt man das Grenzland hier etwas zu sehr heraus. Erinnert mich an die Geschichten von Arizona, die mir mein Großvater immer erzählt hat … Mal sehen, ob sie den Medern gefallen …
    Klingt vielleicht albern – aber ich habe mich an die Bowman-Suite noch immer nicht gewöhnt. Schaue ständig über die Schulter …
    Wie ich meine Zeit verbringe? Nicht sehr viel anders als im Afrikaturm. Ich treffe mich mit der hiesigen Intelligenzia, die allerdings – wie zu erwarten – nicht gerade üppig sprießt (hoffentlich hört das niemand ab). Und ich habe – real und virtuell – Kontakt zum hiesigen Schulsystem aufgenommen – scheint ausgezeichnet zu sein, wenn auch stärker technikorientiert als dir lieb sein dürfte. Aber das ist in einer derart lebensfeindlichen Umgebung wohl unvermeidlich …
    Jedenfalls verstehe ich jetzt besser, warum sich

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