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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Maledetto! Sie haben die Texte.
    Er tastete nach seinem telefonino . Doch was sollte er tun? Helmbrecht anrufen? Der besaß kein Mobiltelefon, also konnte er es nur bei di Tomasi versuchen, und dann musste er zuerst das hier erklären. Das sollte besser der Commissario erledigen. Doch wo steckte dieser Ubaldini?
    Ob die polizia gerade die anderen Stockwerke durchkämmte, auf der Suche nach eventuellen Zeugen? Nein. Um diese Uhrzeit war das Gebäude an der Via Oddone menschenleer.
    Amadeo nahm sich die übrigen Büros und Räumlichkeiten vor und warf schließlich einen Blick in die Teeküche. Nichts. Alles verwüstet, alles leer. Sogar die Zuckerdose hatten sie ausgekippt.
    »Porca miseria!« , fluchte er. »Was für eine gottverdammte Schweinerei!« Noch einmal brüllte er: »Commissario!« Das musste man auch noch zwei Stock tiefer hören.
    Er sah auf die Uhr. Gleich halb eins. Was sollte er jetzt machen? In gut sechs Stunden ging sein Flieger von Fiumicino. Eine Viertelstunde würde er dem Commissario noch geben, dann... Er überlegte. Sollte er doch besser gleich bei der polizia anrufen? Irgendetwas war seltsam hier.
    Ein Geräusch.
    Amadeo zuckte zusammen. Die officina war leer. Er hatte jeden Raum überprüft, bis auf das WC.
    Das Geräusch wiederholte sich. Es war ein... Ein unterdrücktes Stöhnen?
    Der Restaurator stand in der Tür der Teeküche, kurz vor dem ascensore . Langsam ging er weiter in den Raum hinein, lauschte. Das Geräusch kam aus dem WC. Vorsichtig trat er näher und drückte die Klinke nieder. Er schob die Tür auf, Zentimeter für Zentimeter — und erstarrte.
    Die Blutspur war unübersehbar. Als er auf den Boden blickte, sah er, dass sie sich von den Fliesen her bis auf den Flurteppich ausgebreitet hatte. Er hatte sie schlicht übersehen angesichts der Verwüstung, die über die Räume der officina hereingebrochen war.
    Zwei abschließbare Toilettenkabinen gab es im WC, und aus jeder von ihnen ragte ein Paar Schuhe. Reglos.
    »Commissario?« , flüsterte Amadeo. »Hallo?«
    Er war unfähig, sich zu bewegen. Noch immer lauschte er. Da war es wieder, das Stöhnen. Jetzt ein neues Geräusch, eine Polizeisirene. Endlich kam Verstärkung! Wenn das die Verstärkung war, bedeutete das allerdings...
    Amadeo fuhr herum.
    Hinter ihm war niemand.
    Und doch: Was hier geschehen war, musste nach Ubaldinis Anruf geschehen sein. Wenn der Täter...
    Das Stöhnen wurde heftiger. Eilig trat Amadeo in den WC-Raum und achtete nicht darauf, dass das kaum geronnene Blut unter seinen Füßen aufspritzte.
    » Commissa ...« Er brach ab.
    Auf der Toilettenbrille saß ein schwer verletzter Mann, das Gesicht grausam entstellt. Er hatte die Hose heruntergelassen, als hätte der Täter ihn auf dem WC überrascht. Auch am Rest des Körpers erkannte Amadeo Wunden. Der rechte Unterarm war in einem unnatürlichen Winkel abgeknickt.
    Amadeo kannte den Mann.
    Es war Taddeo Niccolosi. Sein Glatzkopf war blutüberströmt, aber es war eindeutig Niccolosi.
    »Taddeo!«, flüsterte er.
    »Amadeo!« Der Restaurator hatte Mühe, seinen eigenen Namen zu verstehen. »Amadeo!«
    Es kostete ihn Überwindung, doch Amadeo trat näher. Niccolosi lag — saß — im Sterben, das war unübersehbar. »Es kommt Hilfe, Taddeo«, sagte er beschwörend. »Hörst du das? Die polizia ist gleich da, und dann werden wir einen Krankenwagen rufen.«
    »War«, röchelte Niccolosi. Dann etwas, das Amadeo nicht verstehen konnte. »War schon da!«
    »Die polizia?« Die Kälte, die den Restaurator in diesem Augenblick erfasste, war von einer solchen Wucht, dass er fast zusammensackte unter ihrer Gewalt. Es war, als hätte jemand mehrere Zentner Eiswürfel über ihm ausgeleert. Eine zermalmende Last, die ihn in die Knie zwang.
    Die polizia war schon da gewesen.
    »Haben sie«, flüsterte er und musste sich räuspern, »dir das...«
    »Sag es nicht...«, begann Niccolosi und stöhnte vor Schmerzen. »Bitte sag es nicht Carla.« Ein letzter, gequälter Atemzug, dann ein tiefes Seufzen.
    Niccolosi sank in sich zusammen, und ein dünner Blutfaden sickerte aus seinem Mundwinkel. Amadeo musste es nicht prüfen: Niccolosi war tot.
    Sag es nicht Carla .
    Aber sie würde es erfahren. Wie sollte er Taddeo Niccolosis Frau, seiner Witwe, vorenthalten, dass ihr Mann tot war? Amadeo richtete sich auf und trat aus der Kabine zurück.
    Sag es nicht Carla .
    Da war die zweite WC-Kabine.
    Als Amadeo und Helmbrecht am Abend die officina verlassen hatten, war Niccolosi allein

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