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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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einem ziemlich tiefen Ausschnitt, der verhinderte, dass er den Blick über die Lichter Roms schweifen ließ, was er eigentlich vorgehabt hatte. Ihre Haut war kühl unter seiner heißen Handfläche.
    Schließlich entdeckten sie auf einer kleinen Lichtung eine Bank und ließen sich nieder. Die Geräusche waren leiser geworden. Er sah keinen Menschen mehr. Berenice schmiegte sich an ihn, und ihre Lippen fanden zueinander. Amadeo sog ihren Duft ein. Es war ein Parfüm, das er nicht kannte, süß, aber nicht aufdringlich. Seine Hände strichen über ihren Körper, ihren Rücken, das feste Fleisch ihrer Hinterbacken.
    Das Mädchen kicherte. Mit verschleiertem Blick lächelte er sie an, doch sie hörte nicht auf zu kichern.
    »Was ist denn?«, fragte er schließlich mit rauer Stimme.
    »Ach, ich find das witzig, wie anhänglich die beiden sind.«
    »Welche beiden?« Umständlich stützte er sich auf den Arm.
    »Na, die da«, sie nickte quer über die Lichtung. »Die waren vorhin schon am Campo dei Fiori. Ob das Spanner sind?«, flüsterte sie aufgeregt.
    Amadeo kniff die Augen zusammen.
    Die beiden Männer saßen zwei Bänke entfernt. Sie trugen dunkle Anzüge — und teure Schuhe, soweit er das erkennen konnte. Jetzt zündete sich einer von ihnen eine Zigarette an. Im Aufblitzen des Feuerzeugs bemerkte Amadeo einen Ring an seinem Finger.
    Einen Ring mit einem roten Stein.
XXIV
    Es war kurz vor zwölf, als Amadeo die knarrenden Stufen zu seiner Dachgeschosswohnung hinaufstieg. Fünfter Stock, kein Aufzug, aber die Miete war bezahlbar, und die Wohnung hatte Atmosphäre. Ganz Trastevere hatte Atmosphäre — wenn man unter Atmosphäre bröckelnde Fassaden und fehlende Gehwege verstand, kombiniert mit einer Kanalisation, für die das alte Imperium sich geschämt hätte. Die deutschen, englischen und amerikanischen Touristen waren offenbar genau dieser Auffassung. Was die Japaner sich vorstellten, mochte der liebe Gott wissen.
    Der, der ihn gesandt hatte , dachte Amadeo und fröstelte. Er war kein besonders gläubiger Mensch. Er war Italiener, also war er katholisch. Das stand nicht zur Diskussion. Doch es war etwas ganz anderes, diese Papyri zu lesen... ihm in diesen Worten zu begegnen. Was Johannes schrieb, hatte etwas Echtes, etwas Unverfälschtes.
    Ich weiß nicht, ob ich glauben kann, dachte er. Aber ich glaube, dass er geglaubt hat. Außerdem glaubte er allmählich, dass er die Sache vielleicht ein wenig unterschätzt hatte.
    Der Abend war gelaufen. Er hatte Berenice an ihrem Club abgesetzt, und sie hatten vereinbart, in den nächsten Tagen zu telefonieren, doch es gab wohl keinen Zweifel, dass das ihr letztes Date gewesen war. Er hatte sie wortlos zurück zum Wagen gezogen, sich nicht einmal umgesehen, ob die Männer ihnen folgten. Wahrscheinlich hatte er einfach Angst davor, dass es so sein könnte.
    Nicht könnte , dachte er. Mit Sicherheit sind sie uns gefolgt. Sie, oder andere von ihnen .
    Auf der Fahrt zurück nach Trastevere hatte er die Augen mehr auf den Rückspiegel gerichtet als auf die Straße. Er war Umwege gefahren, und nach menschlichem Ermessen konnte ihm niemand auf der Spur geblieben sein.
    Doch waren sie darauf überhaupt angewiesen, wenn sie ihn an der Piazza dei Fiori schon erwartet hatten? Wenn einer von ihnen am Morgen in der caffèbar gesessen hatte? Und was war mit dem Liebespaar, das er gestern Nacht aus den Fenstern der officina beobachtet hatte?
    Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht wussten, wo er wohnte?
    Amadeo schloss die Tür hinter sich und legte die Kette vor. Ein Erbstück von seinem Vormieter, das nicht einmal die lächelnden signori von Jehovas Zeugen aufhalten könnte, geschweige denn die Männer in den schwarzen Anzügen. Die Männer mit den roten Steinen am Finger.
    Wegen der Gasrechnung sind die sicher nicht hinter mir her, dachte er wirr. »Der Vatikan weiß schließlich, wem er seine Codices anvertraut hat«, hatte Helmbrecht gesagt. »Ist es ein Wunder, dass sie ein Auge darauf haben?« Auf die Codices, dachte Amadeo schaudernd, oder auch auf mich?
    Er ließ die Jalousien herab und achtete darauf, sich nicht zu deutlich vor den Fenstern sehen zu lassen. Es war lächerlich. Hätten sie ihm an Leib und Leben gewollt, hätten sie am Osservatorio Astronomico jede Gelegenheit gehabt. Ein Messerstich in der Dunkelheit, und die Sache wäre geritzt gewesen. Geritzt im wahrsten Sinne des Wortes. Er bemerkte, dass er die Hand schützend auf den Hals gelegt hatte.
    Offenbar

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