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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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wollten sie ihm nicht ans Leben, zumindest im Augenblick nicht. Aber im Augenblick konnten sie auch noch nicht wissen, was in den Papyri stand. Wenn er doch nur alles ungeschehen machen könnte! Wenn er die Zeit zurückdrehen könnte — bloß um vierundzwanzig Stunden!
    Er stutzte. War das unmöglich? Die Papyri lagen in einer Schublade des Sekretums. Wenn er sich jetzt in den Wagen setzte und noch einmal rüberfuhr in die officina . Niccolosi war noch da gewesen, als Amadeo und Helmbrecht die Via Oddone verlassen hatten. Inzwischen war er sicher längst zu Hause. Die Werkstatt war leer. Nichts würde — nichts konnte — Amadeo aufhalten. Sicher, einerseits besaß der Professor die Fotos, die Amadeo mit dem telefonino gemacht hatte. Die des ersten und jetzt auch die des zweiten Textes. Der Restaurator hatte sie gleich an seine Mailadresse geschickt. Andererseits waren das nur Fotos. Wenn die Originale der Papyri, nun ja, verschwanden? Wenn auch Amadeo selbst erst einmal verschwand — vielleicht nach Hause, in die Marken? Seine Mutter lag ihm seit Monaten in den Ohren und klagte, dass er seine Familie offenbar vollständig vergessen hatte.
    Unschlüssig blickte er auf den Berg Wäsche, den er vor zwei Tagen aus der Wäscherei geholt und noch nicht einsortiert hatte. Socken verstauen oder die größte wissenschaftliche Entdeckung des Jahrhunderts vernichten, das war hier die Frage.
    » Va, pensiero, sull' ali dorate.« Amadeo zuckte zusammen und tastete nach seinem Handy.
    »Fanelli.«
    »Buona sera , Amadeo. Helmbrecht hier.«
    »Wie? Was? Es ist kurz vor Mitternacht.«
    »Ich dachte, um diese Uhrzeit plaudern Sie am liebsten«, kam es aus dem Hörer. Amadeo starrte auf die Wäsche. »Ahm, ja«, murmelte er.
    »Etwas nicht in Ordnung?«, fragte der Professor. Er musste irgendetwas gespürt haben.
    »Nein«, murmelte Amadeo. »Na ja.« Es ging nicht. Er konnte Helmbrecht nicht erzählen, dass er gerade daran gedacht hatte, die Papyri zu vernichten. Nicht jetzt, nicht auf diese Weise. »Was ist denn los, Professor?«
    »Der Vergil liegt in St. Gallen.«
    »Wie bitte?« Amadeo ließ sich auf seine Couch fallen. »Unser Vergil?«
    »Nein, sein Schwippschwager, der die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen hat.«
    »Sind Sie sich sicher?«, fragte Amadeo. »Woher wissen Sie das?«
    »Ich habe einige Mails verschickt und einige Telefonate geführt. Sicher bin ich mir, sobald Sie den Codex untersucht haben.«
    »Ich?«
    »Ja, Sie.« Helmbrecht hustete. Er klang erschöpft — war das ein Wunder? »Sie liegen noch nicht im Bett?«
    »Nein«, murmelte Amadeo. »Ich hatte noch...«
    »Unwichtig. Wenn Sie sich hinlegen wollen, dann tun Sie das gleich. Ihr Flug von Fiumicino geht um Viertel vor sieben. Mitschreiben!«
    » Un momento , ich brauche...«
    »Stift und Zettel sollte man immer zur Hand haben!«, sagte Helmbrecht, ganz Lehrer. »Sogar in der Badewanne.
    Gerade in der Badewanne! Die besten Ideen kommen einem immer in der Badewanne. Oder auf dem WC. Luther hat behauptet, der wahre Sinn des Römerbriefes, über den er monatelang nachgegrübelt hatte, sei ihm auf dem Abort ganz plötzlich aufgegangen.«
    »Da war er sicher erleichtert«, murmelte Amadeo.
    Der Professor lachte dröhnend. »Haben Sie endlich einen Stift?«
    »Habe ich«, nickte Amadeo.
    »Flug LX 01735, Terminal B.«
    Amadeo notierte es auf der Rückseite der Rechnung aus der lavanderia .
    »Eine Frau Rebecca Steinmann von der Sankt Gallener Handschriftensammlung wird Sie am Flughafen erwarten. Sie ist offenbar die rechte Hand des Custos. Haben Sie das notiert?«
    »Weiß sie, worum es geht?«
    »Sie weiß, dass Sie in meinem Auftrag den Vergil durchsehen werden.«
    »Und der capo?«
    Schweigen. »Welcher capo? Der eigentliche Custos ist ein alter Bekannter von mir. Er muss an die neunzig sein.«
    »Ich meine Giorgio di Tomasi!«
    »Ah!« Helmbrecht grunzte verstehend. Nein. Er schmatzte.
    War er am Essen? »Buon Appetito« , bemerkte Amadeo.
    »Signorina Chiara ist heute Abend verhindert«, sagte der Professor zwischen zwei Bissen. »Aber diese Köchin... ihre cannoli siciliani sind ein Traum. Sie werden den Zustand des Pergaments prüfen und mir Ablichtungen jeder Seite des Vergil anfertigen.«
    »Aber der Vergil selbst ist uninteressant«, widersprach Amadeo. »Wenn ich die Papyri...«
    »Das habe ich dem capo erzählt.« Helmbrecht klang ungeduldig. »Sie schicken mir die Bilder der Papyri per Mail, sobald Sie etwas haben. Und jetzt legen Sie sich

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