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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Görlitz! Mann, Amadeo, du alter Schwerenöter, was treibst du denn hier?«
    »Steffen«, murmelte Amadeo. Nein, der Mann war wirklich kaum wiederzuerkennen. In Weimar und in seinen Cordhosen war er ein vollkommen anderer Mensch gewesen. Er besann sich. »Rebecca, das ist Steffen Görlitz, ein... alter Freund aus der Zeit in Weimar.« Freund war übertrieben, doch es konnte nicht schaden, das zu betonen, schließlich wollten sie was von ihm. »Steffen, das ist meine Kollegin Rebecca Steinmann.«
    Görlitz grinste. »Wenn so in Italien Restauratorinnen aussehen, will ich auch da hin«, sagte er augenzwinkernd. Zu Amadeos Überraschung beugte er sich über Rebeccas ausgestreckte Hand, schüttelte sie aber nicht etwa, sondern hauchte einen angedeuteten Handkuss auf. »Ihr kommt doch aus Italien? Da hat es dich wieder hin verschlagen, nicht?«
    Amadeo nickte. »Wir sind auf Recherchereise. Hier bei euch muss eine bestimmte frühmittelalterliche Boëthius-Handschrift liegen. Die philosophiae consolationis . Wir haben da einen Hortulus , der vielleicht von der Reichenau...«
    Görlitz schüttelte den Kopf. Die gegelten Strähnen rührten sich nicht um einen Millimeter. Amadeo hatte es genau im Blick. »Das können wir gleich in Ruhe besprechen.« Er sah auf die Uhr. »Ich habe in zehn Minuten Mittagspause. Ich sag nur eben Bescheid, damit jemand runterkommt.« Er schob sich an der Theke vorbei und flitzte die Treppe hoch. »Bin gleich wieder da, wenn jemand fragt!«
    »Lassen Sie bloß die Ausweise in der Tasche«, flüsterte Amadeo.
    »Wie gut kennen Sie den Mann?«, fragte Rebecca leise. »Wird er uns helfen?«
    »Noch immer keine Nachricht von Helmbrecht?«, fragte Amadeo.
    Rebecca sah auf ihr Handy und schüttelte den Kopf.
    Amadeo hob die Schultern. »Ich kann mich kaum an Görlitz erinnern, aber er hat sich verändert... diese Haare.«
    »Stimmt, die sind gewöhnungsbedürftig.«
    »Der ganze Mann ist gewöhnungsbedürftig«, korrigierte Amadeo.
    »Sein Hintern ist nett«, bemerkte Rebecca.
    Überrascht sah er sie an. War das ernst gemeint? »Darauf hab ich jetzt nicht geachtet«, murmelte er. »Ich glaube, er ist schwul«, fügte er betont beiläufig an.
    »Oh«, sagte sie, »schade.«
XLVII
    Wenigstens der Kaffee war für deutsche Verhältnisse nicht übel, doch das konnte Amadeos Laune auch nicht retten. Der widerwärtige Görlitz hatte sie in eine Sushibar geschleppt und bereits im Vorfeld angekündigt, sie sollten sich keine Sorgen machen: Er werde bezahlen. Das Ganze mit einem mitleidigen Blick auf Amadeos Schuhe.
    Der Restaurator hatte keinen Appetit — schon gar keinen auf Sushi. Er hatte die Röllchen so oft auf seinem Teller hin und her geschoben, dass der Fisch nach seinem Tode eine weitere Strecke zurückgelegt hatte als zu Lebzeiten. Alles unterlegt mit Görlitz' Gefasel über seine Arbeit. Er führte ein berufliches Gespräch, hauptsächlich mit Rebecca. Allerdings konnten sie froh sein, dass er so viel redete, denn auf diese Weise fiel ihm nicht auf, dass Rebecca von Restaurierungen so viel verstand wie eine Kuh vom Skifahren.
    Und Rebecca: Amadeo musste daran denken, wie Chiara di Tomasi den Professor angehimmelt hatte. Es war nicht derselbe Blick, aber er selbst fühlte sich ganz ähnlich dabei. Unerträglich! Eine Frau von Rebecca Steinmanns Format sollte so etwas nicht nötig haben.
    »Seht ihr, eigentlich haben wir mehr als genug zu tun mit der Restaurierung.« Görlitz schlürfte genüsslich an seinem Kaffee. Für einen vielbeschäftigten Mann hatte er eine bemerkenswert lange Mittagspause. »Gerade unten an der Ausleihe ist auch das Repräsentieren sehr wichtig. Klar, daran wird das Haus gemessen. Unser Leiter ist der Ansicht, dass ich dort eine ganz gute Figur mache.« Voller Bescheidenheit sah er Rebecca an — und sie stimmte tatsächlich mit einem Lächeln zu.
    »Um auf den Boëthius zu kommen«, warf Amadeo genervt ein.
    »Den kenne ich«, nickte Görlitz. »Hab ich erst vor ein paar Wochen noch in der Hand gehabt. Zehntes Jahrhundert, richtig? Süddeutschland?« Er sah Amadeo fragend an.
    »Das ist er«, flüsterte Amadeo.
    »Das dachte ich mir.« Görlitz' Miene war undurchschaubar. »Leider ist er ganz schön mitgenommen, besonders der Einband. Ich hab mir gleich gedacht, der muss neu gemacht werden.«
    Ein eiskalter Schauer rann Amadeo über den Rücken. »Und, hast du?«, sagte er mit schwankender Stimme.
    »Ich weiß, woran du denkst«, wiegelte Görlitz ab. »Jede noch so schöne

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