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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Chocolatiers in meiner Familie, aber so etwas ist noch keinem von ihnen widerfahren.«
    »Ich kenne Ihre Familiengeschichte«, erwiderte Bietigheim ungerührt. »Von Ihrem Urgroßvater und seiner kleinen Manufaktur über seine älteste Tochter, die verschwand, und Ihre Großmutter, die daraufhin aus dem Kloster kam, um den Betrieb weiterzuführen, bis zu Ihrem Vater, der das Unternehmen zur heutigen Größe führte, und dann kamen schließlich Sie, das Genie der Familie, der Künstler, der Schokoladenflüsterer, der zu den besten Chocolatiers der Welt reiste, nach Turin, Paris, zu Urs Egeli in die Schweiz, bevor er seinen rechtmäßigen Platz in der Dynastie einnahm. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Aber Sie auch Ihre? Was, glauben Sie, geht mehr um die Welt? Fotos von Schokolade am Strand oder von Schokolade in einer Küche? Na?«
    »Es stürmt, verdammt noch mal!«
    Bill Bulldoss tauchte neben Adalbert auf. »Können wir das Ganze vielleicht wieder im Rathaussaal durchziehen? Der Sand kommt überall durch. Wir haben gleich lauter Sandkuchen!« Er blinzelte schelmisch. »Ich meine, ich muss sie ja nicht probieren, das ist Job der Jury. Wobei ich glaube, dass der Schokobär sowieso alles isst. Oder, Pierre?« Er stupste den französischen Chocolatier an, der sich daraufhin fluchend in seinen Pavillon verzog.
    Der zwergenhafte Amerikaner trat näher zu Bietigheim und stimmte einen vertraulichen Tonfall an. »Ich mache mir Sorgen, Professor, jeder hier macht sich Sorgen. Ein Mord würde uns schon nervös machen, zwei tun es erst recht. Blasen Sie alles ab. Ist das Beste.«
    »Unmöglich. Glauben Sie mir. Ich will nicht ins Detail gehen.«
    Bulldoss kam noch näher, stellte sich auf die Zehenspitzen und griff Bietigheim am Kragen. Plötzlich war er nicht mehr der knuffige amerikanische Zwerg. »Ich kann auch anders! Wenn noch einer von uns dran glauben muss, mach ich Sie persönlich haftbar. Dann haben Sie es auf dem Gewissen. Ist das klar?«
    Gott sei Dank tauchte in diesem Moment Edward Macallan auf, der Zwerg ließ den Professor wieder los und verschwand in Richtung seines Pavillons. Der schottische Teilnehmer trug einen quer gestreiften einteiligen Badeanzug und ein Badetuch lässig über der Schulter. Hinter ihm wackelten Pressevertreter wie Küken hinter der Entenmama her. »Ich werde meine neueste Kreation ›Flandrische Sanddüne‹ nennen. Dahinter steckt ein richtig geiler Sandkuchen, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Das ist das perfekte Wetter dafür. Mein Kuchen soll nicht wie ein öder Sonnentag, sondern wie ein Sturm am Gaumen sein.«
    Bietigheim beschloss, diejenigen Köche zu beruhigen, die es nicht gleichermaßen verstanden, einen Vorteil aus der misslichen Situation zu ziehen. Aus dem Inneren des am nächsten stehenden Zeltes waren Lichtblitze zu sehen. Der Professor lugte hinein. Vanessa Hohenhausen dokumentierte mit dem Fotoapparat die einzelnen Stufen ihrer Vorbereitung. Sie trug die klassische weiße Kochuniform und arbeitete akribisch an den Schokoladen, welche sie einsetzen wollte.
    »Alles okay bei Ihnen?«
    »Ja, wieso?« Sie blickte überrascht auf.
    »Na, wegen des Wetters.«
    »Welches Wetter?«
    »Das heutige, hiesige.« Sie sah ihn verwirrt an. »Draußige«, verunglimpfte Bietigheim die deutsche Sprache. »Es stürmt.«
    »Na ja, nicht hier drinnen.« Vanessa Hohenhausen lächelte. »Ich will keine Sekunde verschenken, alles noch mal durchgehen, will meinen Chef doch nicht enttäuschen.«
    »Ich glaube, Sie machen ihn bereits jetzt sehr stolz«, sprach Adalbert der jungen Frau Mut zu.
    Sie wurde rot.
    Adalbert auch ein wenig. »Dann will ich Sie mal nicht länger stören.«
    Im nächsten Pavillon werkelte Franky van der Elst, der ausgesprochen grimmig schaute, als Bietigheim hineinspähte.
    »Schöne Verwandte haben Sie da, Professor! Sie haben gestern meinen Laden gestürmt. Eine Horde Irrer!«
    »Recht haben Sie.« Bietigheim konnte nicht anders, als van der Elst zuzustimmen, auf dessen Stirn die Schweißtropfen allmählich ein neues Binnenmeer bildeten.
    »Widersprechen Sie mir bloß nicht. Die gehören in die geschlossene Anstalt!«
    »Ganz meine Worte.«
    »Natürlich verteidigen Sie dieses Pack. War ja klar. Die haben mir den letzten Nerv geraubt.«
    Die Lüdenscheid-Bietigheims schienen tatsächlich bleibenden Schaden angerichtet zu haben.
    »Sie rauben mir auch meine Nerven. Durch ihre bloße Existenz.«
    »Sind ja auch Familie. Blut ist dicker als Wasser! Ich will sie

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