Die letzte Praline
Nägeln. Ich will sie gerne beantworten: Ja, diese schmecken bereits nach Schokolade, sind aber äußerst herb. Sie enthalten einen Fettanteil von fünfzig Prozent und nicht mehr als drei Prozent Feuchtigkeit. Nun geht es ans Mahlen – wir nähern uns der Schokolade. Durch die Wärme des Mahlens schmilzt auch die Kakaobutter, und es entsteht eine herrlich duftende Kakaomasse. Um sie vor dem Erstarren zu schützen, wird sie in beheizten Tanks gelagert. Einige Schokoladen benötigen mehr Kakaopulver, andere mehr Kakaobutter, also müssen diese beiden Komponenten der Kakaomasse getrennt werden. Das passiert heutzutage durch hochmoderne Pressen, die eine Temperatur von etwa achtzig Grad Celsius haben. Und wer sind die größten Kakaoverarbeiter der Welt? Na? Natürlich weiß es niemand, weil Sie defizitär vorbereitet sind. Es handelt sich um die Firmen ADM Cocoa in den USA und Barry Callebaut in der Schweiz. Nur die wenigsten Chocolatiers produzieren von der Bohne an, die meisten beziehen die verarbeitete Ware von einem Produzenten. Kritiker meinen, nur diese dürften sich wahrhaft Chocolatiers nennen, doch ich fasse die Definition weiter. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Sie war in Ihrem eigenen Interesse.« Bietigheim verließ die Manege. »Ach ja, die Mitteilung.« Er kehrte zurück. »Kleiner Scherz.« Niemand lachte.
»Wir haben beschlossen, auf dieser Weltmeisterschaft aus ethischen Gründen nur noch fair gehandelte Schokolade zu verwenden, und wir gehen davon aus, dass auch die teilnehmenden Chocolatiers sich verpflichten werden, zukünftig nur noch solche zu verwenden. Zudem werden sämtliche Gewinne an UNICEF gespendet. Danke schön.«
»Wie? Nix Neues zu den Morden?«, kam es aus der Menge.
»Wer hat das gefragt?« Bietigheim war hörbar erbost. »Na, zeigen Sie sich.« Niemand gab sich zu erkennen. »Ihre Sensationsgier werden wir nicht unterstützen, hören Sie? Hier geht es um Schokolade! Auch den beiden Toten war diese besonders wichtig. Wir ehren sie, indem wir die Weltmeisterschaft wie geplant durchführen. Heute Nachmittag um Punkt vierzehn Uhr beginnt die nächste Runde. Die Kandidaten haben dann exakt eine Stunde Zeit. Momentan dürfen sie nur vorbereiten, wobei Sie ihnen gerne über die Schulter schauen dürfen. Mehr gibt es nicht zu sagen. Und wer jetzt noch etwas zu den Mordfällen fragt, verliert seine Akkreditierung.«
»Nur eine Sache noch, Professor«, war eine lässige Stimme zu hören. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie sie aufklären werden? Wie schon die Mordserien in Cambridge und dem Burgund?«
»Ich kann niemanden davon abhalten, etwas anzunehmen«, antwortete Bietigheim, dessen Augen sich zu Schlitzen verengt hatten. »Auch nicht, wenn Sie annehmen, dass sich der Mörder genau den falschen Juryvorsitzenden ausgesucht hat, um hier sein Unwesen zu treiben. Nichts, aber auch gar nichts wird das Fortschreiten dieser Weltmeisterschaft aufhalten!«
Hoch erhobenen Hauptes schritt der Professor schnurstracks zum Ausgang.
Doch vor diesem erwartete ihn ein Problem.
Es regnete auf seinen Kopf, steif blies es ihm entgegen.
Und obendrauf gab es noch eine Ladung Sandkörner, die sich ihm ins Gesicht rieb.
Immer mehr Wolken drängten sich mies gelaunt am Himmel, der Wind schaltete in den nächsten Gang und begann, den Sand wie lästiges Geschmeiß über den Strand zu peitschen. Sand und Schokolade vertrugen sich nicht. Es knirschte gewaltig zwischen den beiden – und beim Genuss der Schokolade zwischen den Zähnen.
Mit anderen Worten: Es war ein Debakel.
Die Pavillons waren an drei Seiten geschlossen, doch nun wären vier nötig gewesen. Und Sandsäcke davor, damit sie nicht wegflogen. Ein großer LKW war eingetroffen, aus dem von Madame Baels organisierte Helfer Sandsäcke entluden, mit denen sie die Pavillons vor dem Wasser zu schützen versuchten.
Adalbert packte mit an, machte sich Hände und Kleidung schmutzig, denn schließlich galt es, Schokolade zu schützen. Dabei schüttelte er unentwegt den Kopf. Was für eine verdammte Schnapsidee, diese Runde am Meer stattfinden zu lassen. Er war von Anfang an dagegen gewesen! Doch die Sponsoren hatten sich durchgesetzt. Sie wollten dieses Spektakel, sie wollten Fotos mit Pfiff.
Pierre Cloizel stapfte wutentbrannt aus seinem Pavillon. Als er den Professor erspähte, hielt er schnurstracks auf ihn zu.
»Halten Sie das für lustig? Sollen wir so arbeiten? Das ist lächerlich, einfach lächerlich! Seit vier Generationen gibt es
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