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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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mit Messer und Säge verteidigte, was ihn jedoch nicht davor bewahrte, unter dem Toten begraben zu werden. Die Luft blieb ihm weg, sein Hinterkopf donnerte auf den harten, gefliesten Boden, und er konnte sich nicht mehr rühren.
    Kalou stellte sich neben ihn, einen Bohrer in der Hand.
    »Es ist nicht so, wie Sie denken.«
    »Woher wollen Sie wissen, was ich denke?« Adalbert versuchte, sich von seiner misslichen Lage nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
    »Ich habe Bea nicht umgebracht und van der Elst auch nicht.«
    »Bei Letzterem bin ich mir sicher. Schließlich wurde er mit schwarzem Glas und nicht mit Obsidian getötet. Aber jetzt machen Sie mit mir weiter. Bringen Sie es bitte schnell zu Ende.« Doch Adalberts Unterbewusstsein sandte keine Todesangst durch die Glieder.
    »Ich will Sie nicht töten.«
    »Dann werde ich zur Polizei gehen und dieser alles erzählen.« Gut, das war taktisch vielleicht unklug gewesen, aber Bietigheim hatte keine Lust, mit gezinkten Karten zu spielen. Außerdem sah er die Angst in Didier Kalous Augen, obwohl sie doch eigentlich in seinen eigenen sein müsste.
    »Geben Sie mir zwei Stunden. Bitte!« Dass ein Mörder um Zeit bat, hatte Bietigheim auch noch nicht erlebt.
    »Um zu fliehen? Wenn Sie noch ein paar mehr Leichen auf mich stapeln, erübrigt sich die Bitte.«
    »Zwei Stunden Ihrer Zeit«, sagte Kalou. »Danach können Sie zur Polizei gehen – falls Sie dann noch wollen.«
    »Wollen Sie mir über Kinderarbeit in der Cote d’Ivoire berichten? Ich weiß, wie schlimm es ist. Einen Mord rechtfertigt dies aber keineswegs. Ich bekomme übrigens keine Luft mehr, und das rechte Bein ist mir meines Erachtens nach bereits abgestorben.« Bietigheim versuchte vergeblich, sich von dem massigen Körper zu befreien.
    »Zwei Stunden?«, fragte Kalou flehentlich.
    Der Professor mochte den jungen Mann, er hatte etwas Aufrichtiges. Unter den Mördern, die er kannte war er einer der nettesten. Typ Schwiegersohn. Doch Bietigheim war froh, dass er keine Tochter im richtigen Alter hatte.
    »Zwei Stunden«, sagte der Professor. »Ab jetzt. Und wenn Sie Herrn van der Elst von mir entfernen würden, könnte ich auf meiner Taschenuhr die exakte Zeit ablesen.«
    »Zwei Stunden«, sagte Kalou und ging ins Nebenzimmer, um zu telefonieren.
    Kopfschmerzen gehörten zu Pits Leben wie die lila Kuh zu Milka. Nach vielen Nächten ging es einfach nicht ohne. Ein Mythos besagte, Eskimos hätten mehr als hundert Namen für Schnee, Pit kam nah heran mit seinen Namen für die unterschiedlichen Arten von Kopfschmerz. Vom leichten Kopfschmerz über den unregelmäßig pochenden, den schraubstockartigen, der den Kopf beinahe zum Explodieren brachte, den Kopfschmerz, der laute Geräusche oder helles Licht gar nicht mochte, oder den, der seinen Kopf zu einem zentnerschweren Stein werden ließ. Nicht zu vergessen den, der sich anfühlte wie ein Ritterhelm mit viel zu kleinem Sehschlitz, den mit dem Hirn aus Wackelpudding und natürlich den, der sich anfühlte, als bestünde der Kopf aus Erbsensuppe mit großen Stücken Bockwurst.
    Doch der Kopfschmerz, den er gerade fühlte, war neu.
    Er vereinigte das Schlechteste aus allen anderen. Er war die Mutter aller Kopfschmerzen. Pit hätte am liebsten das Atmen eingestellt, denn selbst das tat weh. Am meisten pochte es am Hinterkopf. Als er die Beule dort berührte, floss Starkstrom bis in seine Fußsohlen. Die Beule war so groß, dass sie sich wie ein Ersatzkopf anfühlte.
    Pit war sich nicht sicher, ob seine Augen offen waren. Es fühlte sich so an, doch alles war stockdunkel. Er tastete danach. Aua. Okay, offen, ganz klar. Dann tastete er um sich, berührte warmes Metall, konkav gebogen, wie im Inneren eines Zylinders. Er stand auf und fühlte mit den Fingerspitzen eine Decke über sich, ohne Öffnung. Er war in einem Tank. Und in diesem war es nicht nur warm, dunkel und eng, sondern auch feucht. Doch es war kein Wasser, in dem er saß, es war zähflüssiger, und es roch berauschend nach Schokolade. Pit tauchte einen Finger hinein, führte ihn vor die Nase und dann erst in den Mund. Herrliche, warme Schokolade, dickflüssig und verdammt lecker. Sie tat gut, Pit nahm mehr davon, schippte sie schließlich mit beiden Händen empor.
    Die Erinnerung kehrte zurück.
    Pit hatte nicht gesehen, wer ihn niedergeschlagen hatte. Auf jeden Fall hatte dieser ihm das Handy abgenommen. Den Schrammen und Prellungen zufolge, die er am ganzen Körper spürte, war er die Düne hinuntergerollt

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