Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Notizbuch und den kleinen Füllfederhalter aus ihrer Handtasche und begann, etwas zu notieren. »Sag mal, Liam, wie haben eure frühesten Theologen die Zahl 666 interpretiert?«
Seine Miene hellte sich auf: Das Thema hatte ihn in der Vergangenheit zutiefst fasziniert. »In den ersten Jahrhunderten war die am weitesten verbreitete Vorstellung«, erklärte er, »dass die Zahl 666 die numerische Entsprechung von Nero sei. Wenn du mir dein Notizbuch leihst, zeige ich es dir.«
Alanna gab ihm Buch und Füller, und Liam notierte langsam und sorgfältig eine Reihe von Zahlen und Buchstaben. Dann gab er es ihr zurück. Sie las laut:
»NRWN QXR: N = 50 + R = 200 + W = 6 + N = 50 + Q = 100 + X = 60 + R = 200
Ich verstehe: die Chiffrierung seines Namens.«
»Wie du weißt,« fuhr Liam fort, »wurden ursprünglich auf Hebräisch nur die Konsonanten aufgeschrieben, die einen heiligen Wert hatten, während man sich die Vokale merkte. Deshalb würden sich nach der hebräischen Gematrie die Buchstaben, die man für Neros Namen heranzieht, auf die folgenden Konsonanten beschränken: NRWN QXR. Ich habe jedemeinzelnen den entsprechenden alphanumerischen Wert der hebräischen Gematrie zugeordnet. Das N entspricht fünfzig, das R der Zahl zweihundert und so weiter. Jetzt versuche mal, die Summe zu ziehen.«
Alanna warf einen Blick auf das Notizbuch. »Die Summe ist tatsächlich 666.«
»Eben«, nickte Liam. »Aber es liegt schon eine Manipulation im Ansatz. Die korrekte Transkription der griechischen Konsonanten von Kaiser Nero, das heißt Neron Kesar, ergäbe NRN KSR und nicht NRWN QXR. Und in diesem Fall wäre der Zahlenwert nicht mehr 666.«
»Und warum sollte man die hebräische Gematrie mit den griechischen Konsonanten vermengen?«
»Bravo. Das ist die zweite Manipulation: Die Apokalypse ist auf Griechisch geschrieben, und deshalb musst du dich für solche Berechnungen auch auf die griechische Gematrie beziehen«, stimmte Liam zu. »Es gibt außerdem noch einen dritten Punkt, der nicht überzeugt.«
»Welchen?«
»Tatsache ist, dass Nero zu der Zeit, zu der aller Wahrscheinlichkeit nach die Apokalypse geschrieben wurde, schon seit über fünfundzwanzig Jahren tot war.«
»Ich würde sagen, dass damit jede Hypothese zu Nero hinfällig ist«, schloss Alanna. »Aber dann? Ich nehme an, dass im Laufe der Jahrhunderte noch andere Theorien entwickelt wurden.«
»Ohne Ende«, antwortete Liam. »Zur Zeit der großen europäischen Diktaturen gab es Leute, die in der 666 einen Bezug auf Mussolini, Hitler oder Franco sahen. Aber die 666 wurde auch Mohammed zugeschrieben. Oder Stalin. Und Umberto Eco lässt in seinem Bestseller
Der Name der Rose
Ubertin von Casale sagen: ›Die Zahl des Tieres ist, wenn du den Namen in griechischen Buchstaben liest, Benedicti.‹«
»Benedikt?«, fragte Alanna überrascht.
»Genau«, bestätigte Liam. »Aber lass dich nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten. Im Grunde glaube ich, dass Irenäus von Lyon, der berühmteste Gelehrte in Gematrie unter den Kirchenvätern, recht hat.«
»Und was sagt der?«
»Irenäus kam, wenn ich mich recht entsinne, nachdem er die Zahl des Tieres auf Grundlage des griechischen Alphabets ausgelegt hatte, auf drei verschiedene Ergebnisse. Aber am Ende schloss er, dass es sicherer sei, die Erfüllung der Prophezeiung abzuwarten, als Spekulationen anzustellen: ›denn derselbe Name kann in vielen Namen ausgedrückt werden‹. Um es kurz zu machen, Alanna, die Zahl 666 bleibt ein ewiges Rätsel.«
Sie hörte jedoch schon nicht mehr zu, hatte eine neue Seite im Notizbuch aufgeschlagen und kritzelte hektisch drei parallele Spalten.
Liam beobachtete sie erstaunt: »Was schreibst du da?«
»Buchstabe entspricht Zahl: Die Transkription des griechischen Alphabets. Davon muss man ausgehen, oder nicht?«
»Ja, klar … Lass mal sehen!«, forderte er sie auf.
Alanna reichte ihm das Notizbuch, und Liam überflog die Tabellen:
»Du hast ein gutes Gedächtnis«, bemerkte er.
»Genau wie du«, sagte sie bescheiden. »Außerdem ist das hier viel leichter als das, was du mir eben zu Nero gezeigt hast. Die Griechen benutzten, um die Zahlen darzustellen, die vierundzwanzig Buchstaben des klassischen Alphabets plus Stigma, Qoppa und Sampi, um auf siebenundzwanzig zu kommen.«
»Das ist logisch«, sagte er mit einem Blick auf die Tabelle. »Insgesamt siebenundzwanzig, und so hat man neun Symbole für jede Zahl von eins bis neun, dann neun Symbole für die
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