Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
(GMT)
Ortszeit: 8.03 Uhr
Die
estancia
Cristóbal lag in einem Talkessel am Lauf des Chubut-Flusses, mitten in einer grünen Ebene, auf der neben Kühen und Pferden Zehntausende Schafe weideten.
Michael Doornick hatte diese alte Ranch als Hauptquartier für sich und seine engsten Mitarbeiter gewählt. Wie fast überall in dieser Region erlaubte ihre abgelegene Position weder eine Anbindung an das Strom- noch an das Wassernetz, was jedoch durch einen Trinkwasserbrunnen und einen Dieselgenerator, der von Sonnenaufgang bis Mitternacht lief, wettgemacht wurde. Einen Telefonanschluss gab es auch nicht, aber Doornick besaß ein Satellitentelefon, und für alle Fälle hatte Coco, der Besitzer der Estancia, ein Funkgerät, mit dem er Kontakt zur nächsten Stadt, Las Plumas, aufnehmen konnte.
Jeden Abend aß man vom Grill das wirklich ausgezeichnete Fleisch der Tiere, die fast wild gehalten wurden. Nach dem Abendessen liebte Doornick es – falls der Wind des Winters auf der Südhalbkugel es gestattete –, draußen im Freien alleine und in aller Ruhe eine Zigarette zu rauchen. Die Nächte in Patagonien waren ein phantastisches Schauspiel, die Sterne leuchteten hell und klar am Himmel, und anstatt des Polarsterns bildete das Kreuz des Südens den wichtigsten Orientierungspunkt.
An diesem Morgen hatte Doornick das gesamte Team auf der Farm versammelt: Es kam Besuch aus Buenos Aires.
Gegen acht war, wie angekündigt, ein kurioses Trio eingetroffen, angeführt von einem Mann, dessen Bekanntschaft Doornick leider schon gemacht hatte: Horacio Lozano. Der Anwalt der Firma. Der zweite Gast war Jorge Díaz, der Provinzbeamte, der für das Gebiet zuständig war, während Doornick den dritten, aus dem Mittleren Osten, noch nicht kannte. Er stellte sich als Hasim Hafiz vor, der neue Verbindungsmann zu Prinz Amir Khan.
Doornick hatte gehofft, dass diese Visite den Auftakt zu einer Drosselung des Arbeitstempos bildete, nachdem er so lange schon Druck bei der Unternehmensführung gemacht hatte. Aber sofort wurde ihm klar, dass das Treffen genau auf das Gegenteil abzielte: Man wollte die Fortschritte auf den Baustellen kontrollieren. Lozano erklärte, flankiert von dem Beamten, dass alle ausstehenden Baugenehmigungen bis Juli eintreffen würden, folglich – und an diesem Punkt redete der Araber – werde keinerlei Verzögerung mehr hingenommen.
Doornick stand am Tisch mit den Bauplänen und hörte den drei Männern geduldig zu, obwohl er genau spürte, welchen Widerwillen seine Mitarbeiter gegenüber den Gästen empfanden. Als er schließlich an der Reihe war, suchte er nicht nach Entschuldigungen. Er begnügte sich damit, auf dem Tisch die Landkarte der Provinz Chubut auszubreiten – 224 000 Quadratkilometer –, in der die Besitzungen des Prinzen rot markiert waren. Ein Gebiet von neuntausend Quadratkilometern, mit dessen Einzäunung Doornicks Firma beauftragt worden war.
»Meine Herren, der Erste, der keine Verspätungen duldet, bin ich«, fing er an. »Hier geht es aber darum, ein Gebiet einzufassen, das so groß ist wie zwei Drittel Nordirlands.«
»Auf dem Papier«, beschwichtigte Lozano und strich sichüber den dunklen Schnurrbart. »Die eigentliche Mauer ist nicht länger als zweihundert Kilometer. Für den Rest werden wir uns auf natürliche Grenzen und bereits vorhandene Einzäunungen stützen.«
Doornick musterte ihn streng: »Wir reden trotzdem von einem gigantischen Bauvorhaben.«
»Die Firma hat in Mexiko und im Westjordanland weitaus mehr geschafft«, stellte Lozano klar, mehr an den Araber denn an den Ingenieur gewandt. Hasim Hafiz nickte mit Nachdruck.
»Hier erweisen die klimatischen Bedingungen sich aber als unberechenbar«, erklärte Doornick. »Nach jedem Gewitter müssen wir den Bau stoppen. Es gibt Erdrutsche, und die Arbeiter sind völlig ausgelaugt. Wir haben bereits drei Tote zu beklagen.«
»Sie verfügen über einen speziellen Fonds für derlei Zwischenfälle«, gab Lozano arrogant zurück.
»Und auf den muss ich leider zurückgreifen«, erwiderte der Ingenieur spitz, wobei er aufstand. »Aber die Männer verlieren allmählich die Geduld.«
»Mr. Doornick«, wandte Lozano sich kalt an ihn, »wenn Sie der Meinung sind, dass die Ihnen von der Firma übertragene Aufgabe Ihre Fähigkeiten übersteigt, dann sagen Sie das bitte klar und deutlich.«
Doornick starrte wie gelähmt auf die Landkarte. Er spürte den Blick seiner Mitarbeiter auf sich, ebenso wie den des Auftraggebers. Er wollte
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