Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
genommen und die Zeit zum Abflug überbrückt, indem sie in den Duty-free-Shops herumgegeistert war.
Jetzt saß sie in einem Sessel am Gate 82. Inzwischen war es fast Zeit zum Boarding. Sie fragte sich nach wie vor verängstigt, wer zum Teufel David entführt haben konnte und warum. Nicht wegen des Geldes: Wenn auch wohlhabend, so stand ihr Exmann sicher nicht auf der Liste der größten Steuerzahler Dublins. Und dann war da noch diese Schießerei. Undenkbar,dass David in so eine Situation geriet. Er war ein Mann der Wissenschaft, zwar ein Ass, aber ein Schreibtischarbeiter mit strenger Moral. Es war schwer vorstellbar, dass er in unsaubere oder illegale Machenschaften verstrickt war.
Dann dachte sie daran, dass er sie genaugenommen schon einmal verblüfft hatte: als sie sein Doppelleben mit ihrer Freundin Sarah entdeckte – der wahre Grund für ihre Trennung. In dem Fall war allerdings sie es gewesen, die gewisse eindeutige Signale nicht sofort erkannt hatte: Davids Stimmungsschwankungen, seine unerklärliche Unruhe und seine langen Reisen. Alles klare Hinweise darauf, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie war jedoch so in ihre linguistischen Studien vertieft, dass sie nichts gemerkt hatte, bis es zu spät war. In jener Phase, die sie jetzt zu vergessen suchte, steckte sie all ihre Energie in eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die das sogenannte »mathematische Wunder des Korans« studierte. Die Kollegen an der Uni waren begeistert von ihren Beiträgen. David natürlich weitaus weniger.
Dann kam die Trennung, und sie hatte, ohne lang zu überlegen, ein Stellenangebot in London angenommen. Seitdem allerdings war David wieder zum Angriff übergegangen und hatte sie mit Aufmerksamkeiten verwöhnt. Er hatte von heute auf morgen mit Sarah Schluss gemacht und Alanna immer häufiger angerufen. Ein paar Wochenenden im Monat kam er nach London, um sie zu besuchen, und er benahm sich bestimmt nicht wie ein Exgatte, sondern eher wie ein Mann, der hoffnungslos verliebt war. Dann, plötzlich: Schweigen. Und jetzt diese unglaubliche Entführungsgeschichte, die sie nach Dublin zurückbrachte.
Während sie an dieses letzte Jahr zurückdachte, klingelte ihr Handy. Sie fuhr zusammen.
»Hallo?«, meldete sie sich aufgeregt.
»Hier ist Liam.«
Alanna atmete auf. »Ich habe dir überall hinterhertelefoniert …«
»Was ist mit David passiert?«, unterbrach er sie. Er klang zutiefst besorgt.
Alanna seufzte erneut. Einen Moment lang schien es, als wolle sie nach dem passenden Tonfall suchen, aber die Worte sprudelten wie von selbst hervor: »Er ist verschwunden. Anscheinend ist er entführt worden …«
»Von wem? Und warum?«
»Ich habe keine Ahnung«, murmelte sie, während ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Ich habe keine Ahnung, ich begreife überhaupt nichts mehr. Ich bin in Heathrow und fliege gleich nach Dublin.«
Liam schwieg.
»Liam, bist du da?«
»Ja, ich bin da«, beruhigte er sie. »Wann hast du es erfahren?«
Alanna sah sich um. Ein Steward und eine Stewardess lachten. Eine Familie stand an einer Panoramascheibe und bestaunte die Flugzeuge, die auf dem Rollfeld rangierten.
»Wir telefonieren fast jeden Tag miteinander, und auf einmal war er verschwunden. Ich habe überall versucht, ihn zu erreichen, und am Ende habe ich die Polizei in Dublin verständigt.« Sie hielt inne. Sie hatte einen Kloß im Hals.
»Was hat man dir gesagt?«
»Nicht viel. Dass ein Mann eine Entführung beobachtet hat. Und dass das Opfer ein Feuermal auf der Stirn ha…«
Liam ließ sie nicht aussprechen. »Verflucht! Auch hier in Rom ist gerade etwas Schreckliches passiert.« Dann unterbrach er sich, als dächte er nach. »Das ist alles so … unwirklich.«
»Was ist geschehen?«
»Das werde ich dir persönlich sagen. Ich nehme das erste Flugzeug und komme zu dir nach Dublin.«
Alanna war erleichtert. Sie spürte, wie die Anspannung wich und für einen Moment von ihr abfiel. »Danke, Liam. Hoffen wir, dass sich alles einrenken wird … baldmöglichst.«
»Hoffen wir es …«, wiederholte er, aber es klang nicht besonders überzeugt.
Eine Frauenstimme forderte die Passagiere des Flugs DI 827 nach Dublin höflich auf, sich am Gate einzufinden.
18
Ort: Rom
Weltzeit: Mittwoch, 24. Juni, 11.28 Uhr (GMT)
Ortszeit: 13.28 Uhr
Die römische Schwüle machte alles noch unerträglicher. Nach dem Telefongespräch mit Alanna hatte Liam sofort den ersten Flug nach Dublin gebucht: Alle Abflüge an diesem Tag waren bereits
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