Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
heftigen Atem zu kontrollieren. Sein Herz schlug wie wild.
Er schob ein klein wenig den Kopf vor, um den Mann zu beobachten, der ihm den Rücken zukehrte. Er war nicht besonders groß und trug einen anthrazitfarbenen Anzug sowie schwarze, spiegelblanke Slipper. Die Stellung seiner Arme verriet, dass er etwas in Händen hielt, das plötzlich ein metallisches Klicken von sich gab. Bei diesem Geräusch bewegte Liam versehentlich einen Fuß, und der Absatz schlug gegen das Gitter, dessen dumpfer Klang im ganzen Treppenhaus widerhallte. Der Mann fuhr blitzschnell herum.
Liam war erleichtert, als er den Verkäufer aus dem Antiquariat erkannte. Dieser hielt ein Päckchen in der einen Hand und in der anderen einen Kugelschreiber.
»Professor Brine«, grüßte der Buchhändler ihn lächelnd.
»Ach, Sie sind das«, sagte Liam und versuchte, seinen Schrecken zu überspielen.
»Ich dachte, es wäre niemand da, und wollte Ihnen eine Nachricht hinterlassen.«
Liam trat näher, er verstand nicht recht. »Eine Nachricht?«
»Genau, ich soll Ihnen das hier zustellen.«
»Mir?«, fragte er, immer noch verwirrt.
Der Mann händigte ihm das Päckchen aus und zog dann eine Quittung aus der Jacketttasche. »Sicher, eine Unterschrift, bitte.«
Liam nahm das Paket und den Stift und unterschrieb. Seine Hand zitterte deutlich.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte der Verkäufer besorgt.
»Ja, ja, keine Sorge … Das ist nur, weil ich die Treppe hochgerannt bin«, antwortete er und gab Quittung und Stift zurück.
»Wenn das so ist, darf ich mich verabschieden«, sagte der Mann. Er gab ihm die Hand und stieg in den Aufzug. »Auf Wiedersehen, Professor Brine.«
Liam wartete, bis der Aufzug ein paar Stockwerke hinabgefahren war, ehe er sich entschloss, die Wohnung zu betreten. Erst nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete er erleichtert auf.
Der Anrufbeantworter blinkte. Liam ignorierte ihn und setzte sich an den Schreibtisch, wobei er das Päckchen vor sich hinlegte. Er betrachtete es einige Sekunden und öffnete es schließlich ganz vorsichtig mit einem Brieföffner. Kurz darauf hielt er die Ausgabe der Apokalypse in Händen, die Molteni am Vortag gekauft hatte. Irgendetwas stimmte da nicht. Vielleicht lag eine Verwechslung vor.
Er wollte aufstehen und anrufen, um die Sache zu klären, als ihm aufging, dass es keine Verwechslung sein konnte: Der Buchhändler kannte seinen Namen und seine Adresse, obwohl Liam sie dem Geschäft niemals mitgeteilt hatte. Offensichtlich hatte Molteni genaue Anweisungen gegeben, damit das Buch Liam zugestellt würde. Eine Vermutung, die zurGewissheit wurde, als er das Buch aufschlug und auf dem Titelblatt eine Widmung in Moltenis unverwechselbarer Handschrift fand: »Liam, die Zeit ist gekommen: Das Wort Gottes ist in der Gegenwart.«
Dann war da noch etwas Merkwürdiges. Der Professor hatte nicht unterschrieben, sondern ein Symbol gezeichnet: Das erinnerte ihn an etwas: weniger an christliche als vielmehr an esoterische Ikonographie. Es schien ihm, als habe er vor vielen Jahren einmal in Macerata davon gehört, auf einer Konferenz für konstantinische Studien, an der er gemeinsam mit Molteni teilgenommen hatte. Instinktiv zog er den Ring aus der Innentasche des Jacketts.
In der Nacht zuvor hatte er ihn stundenlang in den Händen gedreht. Auf seiner Platte war ebenfalls ein Symbol eingraviert, das er jedoch sehr gut kannte: Es war das Chrismon oder Monogramm Konstantins:
Eine Komposition der griechischen Großbuchstaben »X« und »P«, das heißt, Xi und Rho, der Initialen Christi. Am Querbalken hingen zwei weitere griechische Buchstaben, Alpha und Omega, was bedeutet, dass Christus Anfang und Ende ist, eben in Anspielung auf den Passus der Apokalypse des Johannes.
Nun war es klar: Molteni hatte ihm nicht einen, sondernzwei Gegenstände hinterlassen. Beide hatten mit der Apokalypse zu tun, und beide waren durch ein Symbol charakterisiert.
Der Ring gab zwei weitere Rätsel auf. Zuerst einmal waren in dem Reifen zwei rautenförmige Löcher, die einmal etwas eingefasst zu haben schienen, was mit der Zeit verloren gegangen war. Außerdem war auf der Unterseite der Platte ein Schriftzug eingraviert:
DVIIIACALSEPAXLIADIOCIMP
Die Verwendung von Akronymen und Abkürzungen war in römischer Zeit sehr verbreitet, dachte Liam sofort: von SPQR bis zu den Zeichen der Legionen und dem INRI auf dem Kreuz Christi. Aber das hier, was sollte das bedeuten? Die Gravur
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