Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Teufelsbraten, aber kein blindes Huhn auf kulturellem Gebiet. Das Auswahlkriterium hat er sich in Wahrheit ausgedacht, aber was die Tatsache der Selektion an sich angeht, stützt Voltaire sich auf genaue Quellen zur Konzils- und Kirchengeschichte: die
Santissima Concilia
von Pierre Labbe, der sich seinerseits auf die
Annales Ecclesiasti
von Baronio beruft. Auch ich habe vor Jahren zu dem Thema gearbeitet und bin auf ein anonymes
Synodikon
gestoßen, das Baronio um sechs Jahrhunderte vorwegnimmt.«
»Also könnte Nicäa die ›editorische Leitlinie‹ für das Neue Testament diktiert haben, wie wir es heute kennen?«, fragte Liam.
Aldobrandi warf ihm den vernichtenden Blick eines Oberlehrers zu, dann fuhr er geduldig fort: »Die Authentizität des Ereignisses ist stark zu bezweifeln: Es geht aus einer anonymen, nicht kanonischen Quelle hervor. Die Sache erfreute sich eine Zeitlang wieder einer gewissen Popularität, als man die Nag-Hammadi-Bibliothek katalogisierte, die, wie der Zufall es will, auf das vierte nachchristliche Jahrhundert datiert und dieallem Anschein nach unter Verschluss gehalten worden war, um gnostische und hermetische Texte vor dem Scheiterhaufen der Zensur zu retten. Dabei herausgekommen ist allerdings nichts.«
»Andererseits«, schloss Liam enttäuscht, »auch wenn die Konzilsväter Texte verbannt haben sollten, so hätte das sicher nicht die Apokalypse des Johannes betroffen, deren Kanonisierung nicht in Zweifel steht.«
»Eben«, bestätigte Aldobrandi, wobei er die Lampe wegrückte und das Monokel mit demonstrativer Sorgfalt wegpackte, um sich nach dieser unerwarteten Unterbrechung wieder seinen Beschäftigungen zuzuwenden.
Liam nahm Buch und Ring wieder an sich und steckte sie vorsichtig in die Innentasche des Jacketts, dann stand er auf, um sich zu verabschieden.
»Danke, Francesco. Auf jeden Fall danke für alles«, schloss er und wandte sich der Wendeltreppe zu.
Der Mönch folgte ihm mit einem zögerlichen Blick. Als Liams Kopf auf Höhe des Fußbodens zu verschwinden drohte, rief er ihn zurück: »Liam, da wäre noch eine Sache …«
19
Ort: Dublin
Weltzeit: Mittwoch, 24. Juni, 11.32 Uhr (GMT)
Ortszeit: 12.32 Uhr
Bandars gewaltige Silhouette zeichnete sich im Gegenlicht am Eingang des Hangars ab.
Eine Falcon 900 EX aus Prinz Amir Khans Flotte rollte langsam hinaus, Richtung Startbahn. Als der Jet in der Nähe von Bandar vorbeikam, winkte Hamed, einer seiner Männer an Bord der Maschine, zum Gruß an einem Seitenfenster. Der Gruß blieb ohne Erwiderung.
In Bandar brodelte es. Dieser Transfer war nämlich nicht geplant, sondern die Folge einer Kette von Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entzogen hatten. Und ein Mann in seiner Position konnte sich so etwas nicht erlauben.
Bandar arbeitete seit über zehn Jahren für den Prinzen. Vom einfachen Leibwächter hatte er es, durch unverbrüchliche Treue und seine Leistungen an vorderster Front, zum Sicherheitschef seines Vertrauens gebracht. In letzter Zeit hatte die Situation sich allerdings verkompliziert. Es ging nicht mehr um Verteidigung, sondern um Angriff, mit jedweden Mitteln, ganz gleich, ob legal oder illegal.
Nicht dass ihm das gegen den Strich gegangen wäre: Bandar war ein Mann der Tat. Schon seit Armeezeiten liebte er es, Bewährungsproben zu bestehen und seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Aber all diese Auslandsmissionen hielten ihnfern vom Prinzen, und die Neider unter Bandars Kollegen machten sich das zunutze. Jetzt zum Beispiel war es jemand anderes, der an seiner Stelle den Sicherheitsdienst für die interreligiöse Konferenz in Abu Dhabi organisiert hatte. Jemand, der sich durch tagelange Arbeit in direktem Kontakt mit dem Prinzen und Hussayn deren Wertschätzung erwerben konnte – zu Bandars Nachteil.
Er dagegen hing in Dublin fest, wo er die Mission vollenden musste. Jetzt, da der Entführte auf dem Weg zu einem sichereren Versteck war, galt es noch zu überprüfen, ob keiner seiner Angehörigen von den Geheimnissen erfahren hatte, zu denen er Zugang gehabt hatte. Jüngsten Informationen zufolge trafen zwei weitere potentielle Problemquellen in der Stadt ein, die Ehefrau und der Bruder. Und dies waren die beiden nächsten Zielpersonen seines Teams.
Während er nachdachte, war er aus dem Hangar getreten.
Das vordere Fahrwerk der Falcon löste sich vom Asphalt der Startbahn, und einige Sekunden später hob der Jet vom Boden ab. Bandar war erleichtert. Eine Sorge weniger.
Er ging zu dem
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