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Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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kann. Dieser Ring ist mit besonderer Sorgfalt gehütet worden, vom Tag seiner Entstehung bis heute.«
    »Folglich«, überlegte Liam laut, »kann Molteni ihn mir gegeben haben, genauso wie ihn jemand vorher ihm übergeben hatte, und so weiter seit Jahrhunderten … eine ununterbrochene Kette von Übertragungen.«
    Der Mönch brütete vor sich hin und sagte dann begeistert,den professoralen und distanzierten Ton aufgebend, mit dem er bis dahin die Angelegenheit behandelt hatte: »Das ist möglich, ja, das ist möglich.«
    »Was aber bedeutet nun dieser Schriftzug?«, insistierte Liam.
    »Es ist die Abkürzung eines Datums«, antwortete Aldobrandi einfach. Dann setzte er wieder das Monokel ein und las im Stakkato: »D-VIII-A-CAL-SEP-A-XLI-A-DIOC-IMP. Oder:
Die octavo ante calendas septembres anno unquadragesimo a diocletiani imperio
.
[4]
«
    »Diokletian?«
    »Es handelt sich um ein Datum, das im sogenannten koptischen Kalender ausgedrückt ist: In spätkaiserlicher Zeit«, erklärte der Dominikaner, während er das Monokel abnahm, »will sagen, ab dem vierten Jahrhundert nach Christus, kam der Brauch auf, die Jahre ab der Proklamation Diokletians zu zählen, statt, wie bisher, ab der Gründung Roms.« Aldobrandi stand auf, nahm einen Wälzer in dunklem Einband aus dem Bücherregal und legte ihn auf das Schreibpult.
    Dann fing er an, darin zu blättern, bis er fand, was er suchte. »Hier bitte«, verkündete er nach einer Weile. »284 nach Christus: Proklamation Diokletians zum Kaiser. Folglich bezeichnet das Datum auf dem Ring den 25. August 325 nach Christus.«
    »Das Konzil von Nicäa«, überlegte Liam.
    »Genau. Nach der Mehrzahl der Quellen war dies der Tag, an dem es endete.«
    »Klar, das erste Ökumenische Konzil«, grübelte Liam laut, »von Konstantin einberufen, um dem theologischen Gezänk ein Ende zu machen …«
    »Genau das, Liam«, redete Aldobrandi weiter, während sichin seine Miene eine Spur Beunruhigung mischte. »Wie du genau weißt, wollte Konstantin dem Reich, das er gerade erst geeint hatte, den Frieden sichern, und all die Bischöfe, die sich über die Interpretation der Schriften in die Wolle kriegten, waren ein innerer Brandherd. So versammelte er sie alle in Nicäa, zahlte ihnen Reise und Unterkunft – eine Art Gipfeltreffen
ante litteram
– und forderte sie auf, sich ein für alle Mal zu einigen.«
    »Das Konzil«, fügte Liam hinzu, »löste das Problem der unterschiedlichen Substanz von Vater und Sohn, indem es das Glaubensbekenntnis in der Form festlegte, wie wir es, mehr oder weniger, noch heute beten. Aber ich sehe keine Verbindung zur Apokalypse. Was hat die damit zu tun?«
    »Soweit ich weiß, nichts«, antwortete der Mönch. »Das Konzil legte auch rund zwanzig Kanons fest: Handlungsnormen, wie zum Beispiel das Datum für Ostern, und andere, um Ordnung zu schaffen in der Führung des Klerus. Nichts jedoch, was sich auf Johannes oder seine Apokalypse beziehen würde …«
    »Haben wir auch nichts übersehen?«, warf Liam ein.
    »Nun, nichts Offizielles. Wenn man jedoch auf blasphemische Quellen hören will …«
    »Worauf spielst du an?«
    »Ich rede von Voltaire, Liam, den sogenannten Vater der Aufklärung …«
    »Aber der hat sich doch mit der Kirchengeschichte nur befasst, um sie lächerlich zu machen«, bemerkte Liam.
    »Eben«, seufzte der alte Dominikaner. »Unter dem Stichwort ›Conciles‹ seines berüchtigten
Dictionnaire Philosophique
unterzieht er die Konzile einer ätzenden Kritik, stellt sie als Machtinstrumente dar, die mit dem Glauben nichts zu tun hätten, und verhöhnt ihre vermeintliche Unfehlbarkeit.«
    »Und was sagt Voltaire über Nicäa?«, unterbrach Liam ihn.
    »Er behauptet, dort hätten die Väter des Konzils die Unterscheidung zwischen kanonischen Büchern und den apokryphen Schriften eingeführt. Und hier wird die Ironie des Aufklärers schneidend: Er behauptet, dass die Auswahl folgendermaßen vonstattenging: Man warf alle Texte wild durcheinander auf den Altar, um dann diejenigen als apokryph zu erklären und zu ächten, die zufällig auf den Boden rutschten.«
    Liam konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, und Aldobrandi maßregelte ihn sofort: »Da gibt es nichts zu lachen: Ein Scherz, den sich dieser Priesterhasser schlichtweg ausgedacht hat, um die heilige römische Kirche in Misskredit zu bringen!«
    »Also nur ein Scherz«, insistierte Liam, wobei er sein Gegenüber fixierte.
    »Nun«, gab der Mönch zu, »Voltaire war sicher ein

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