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Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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Das Gesicht war zur Hälfte in den Buchseiten versteckt, aber Liam erkannte die unverwechselbare natürliche Tonsur seines Freundes Aldobrandi. Der Mönch hob den Blick, und ein Lächeln der Erleichterung teilte den dichten Bart. Er legte das Buch auf den Tresen.
    »Ich habe mir Sorgen gemacht deinetwegen, Liam«, sagte erbetrübt. »Diese Hektik am Telefon … und dann ausgerechnet heute, nach dem Unglück, das dem Professor widerfahren ist … Ich weiß, wie sehr du an ihm gehangen hast.« Aldobrandi umarmte ihn fest. »Es tut mir leid«, murmelte er, »Es tut mir wirklich leid.«
    Liam erwiderte die Umarmung ausgiebig und ohne ein Wort zu sagen. Dann rückte der alte Dominikaner von ihm ab und legte ihm die Hände auf die Schultern. »
Fiat voluntas Dei
[3] «, lautete seine Sentenz.
    »Also«, fuhr er dann in einem ganz anderen Tonfall fort, »womit kann ich dir weiterhelfen?«
    Ehe er antwortete, schaute Liam sich um. Die Bibliothek würde gleich zur Mittagspause schließen, und im Lesesaal hielten sich nur noch zwei Leser auf: Ein Diplomkandidat, den er vom Sehen kannte, und ein ausgezehrter Priester, der hinter den Bücherstapeln, die er kreuz und quer auf seinem Pult verteilt hatte, fast verschwand.
    »Das ist eine äußerst vertrauliche Angelegenheit«, flüsterte er Aldobrandi ins Ohr.
    »In Ordnung«, nickte der Mönch, »gehen wir hoch zu mir.« Und er begab sich zu einer steilen Wendeltreppe, die er, ungeachtet seines Alters, behände hinaufkletterte. Ehe er im oberen Stockwerk verschwand, blieb Aldobrandi stehen und beugte sich über den Saal, der unter ihm lag.
    »In drei Minuten wird die Tür verriegelt«, ermahnte er die beiden Leser, nachdem er einen Blick auf die Wanduhr geworfen hatte. »Ich bitte Sie, die Bücher auf den Pulten und die Leihscheine in der Schale am Eingang zu lassen.« Dann stieg er, mit geübtem Schritt, weiter hinauf.
    Die Wendeltreppe führte direkt in das persönliche Arbeitszimmer des EMINENTISSIMUS PATER BIBLIOTECARIUS FRANCESCO ALDOBRANDI, wie man auf demMessingschild lesen konnte, das an dem riesigen Pult in der Mitte des Raumes prangte. Außen herum an den Wänden nichts als Bücher. Nur das gewaltige Fenster, das sich auf den Kreuzgang öffnete, unterbrach die geordneten Buchreihen und ließ ein weiches, gedämpftes Licht herein. Auch gegen die Tür waren Bücherstapel geschichtet, die sich seit Jahrhunderten dort zu befinden schienen. In eine Ecke hatte man ein altes Feldbett gestellt, darauf ein durchgelegener Strohsack, eine zerknitterte Decke und ein Kopfkissen mit gräulichem Bezug.
    Aldobrandi fing Liams verwunderten Blick auf und kam seiner Frage zuvor: »Weißt du, ein Mönch stirbt nicht gleich, wenn er mal eine Nacht nicht im Excelsior schläft. Das Studium geht allem vor!«
    Dann begab er sich zu dem spartanischen Stuhl hinter dem Pult. »Setz dich«, forderte er Liam auf und zeigte auf ein winziges Stühlchen vor ihm. Liam nahm Platz und verursachte dabei ein unheilvolles Knarzen.
    »Also, ich bin ganz Ohr …«, ermunterte der Mönch ihn, wobei er seine Ellbogen auf das abgewetzte Leder der Schreibfläche stützte und sein Gegenüber durch das wuchtige Brillengestell ansah.
    Liam fasste die Geschehnisse so zusammen, wie er es im Stillen für sich kurz vorher getan hatte, und am Ende des kurzen Berichts legte er Ring und Buch auf das Schreibpult.
    Aldobrandi nahm die Brille ab, holte ein Monokel aus der Schublade, klemmte es mit professioneller Geste ins Auge und unterzog zuerst das Buch und dann den Ring einer genauen Prüfung. Einige Minuten lang herrschte eine Stille, die nur durch das von Liams Bewegungen verursachte Knarzen unterbrochen wurde, der vergeblich nach einer bequemen Sitzposition suchte.
    Endlich legte der Mönch das Monokel ab, setzte wieder die Brille auf und begann zu reden.
    »Eine wunderschöne Ausgabe«, fing er an, den Band weiterhin in Händen drehend. »Feinste Wasserzeichen … herausragende Druckkunst, originale Typen von Aldo Manuzio … Bindung mit Seidenfaden und Titelblatt in heiß ziseliertem Wachs: aber trotzdem nichts Außergewöhnliches. Der Text scheint mir, auf den ersten Blick, der streng kanonische zu sein, noch dazu ohne Kommentare. Kurz, ein schönes Sammlerstück, aber auch nicht mehr … Und dann sehe ich auch nicht, wie es ein Geheimnis bergen sollte: Es stand zum Verkauf in einem Antiquariat, jedermann zugänglich.«
    Liam wartete einen Moment, ehe er zum Sprechen ansetzte, als ob er all diese Bemerkungen erst

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