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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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konnte nicht anders, als den Blumenstrauß in Augenschein zu nehmen. Irgendetwas stimmte damit nicht. »Da stecken ja Käsestücke drin. Ist das Vacherin d'Epoigey?«
    »Mit Ihnen spreche ich nicht.«
    »Manchmal ist es gut, sich etwas vom Herzen zu reden.«
    »Hier gibt es nichts vom Herzen zu reden. Und einem Boche wie Ihnen muss ich schon gar nichts erzählen.«
    »Sieht sehr aus wie Vacherin d'Epoigey.«
    »Was wissen Sie denn schon von Käse?« Zorn war nun in seiner Stimme. »Sie wissen doch gar nicht, wie es ist, wenn der Vacherin wie die Wiesen im Frühjahr schmeckt, wenn dort die wilden Kräuter emporschießen, als wollten sie durch die Wolken wachsen.«
    Pit war erstaunt, solche gefühlvollen Worte von dem grantigen alten Bock zu hören. Seiner Meinung nach roch der Käse in perfekter Reife wie ein guter Komposthaufen.
    Gérard drehte sich Richtung Ausgang. »Sind Sie mit dem Wagen da?«
    »Klar.«
    »Dann nehmen Sie mich gefälligst mit. Sagen werde ich Ihnen trotzdem nichts. Aber ich habe keine Lust, wieder Ewigkeiten auf den Bus zu warten.«
    »Geht in Ordnung«, sagte Pit. »Ich glaub übrigens nicht, dass Sie der Mörder sind. Sie sind nämlich in Ordnung – für einen sturen französischen Bauern.«
    Gérard kämpfte zwar sichtlich dagegen an, konnte jedoch nicht verhindern, dass eine einzelne Träne sich ihren Weg durch sein tief gefurchtes Gesicht bahnte. »Sie wissen ja gar nichts.«
    Und obwohl der Weg zum Wagen und die Fahrt zurück nach Epoigey viel Zeit in Anspruch nahmen, wusste Pit auch danach nicht mehr.
    Der Professor legte den Telefonhörer auf. Doch los ließ er ihn nicht.
    Er hatte gerade mit Hervé Picard gesprochen. Aufgrund einer bloßen Idee, die ihm nun fast wie eine Eingebung erschien. Bietigheim hatte den Maître Affineur gefragt, ob er am nächsten Tag Zeit habe.
    Nein, hatte der geantwortet.
    Morgens vielleicht, hatte der Professor nachgehakt, oder zum Mittagessen, gerne auch danach oder am Abend. Nur ein halbes Stündchen.
    Nein, sagte Hervé Picard, der ganze Tag sei schlecht. Ein andermal gern.
    Die Absage wäre nicht weiter ungewöhnlich gewesen, wenn morgen nicht ein besonderer Tag gewesen wäre.
    Der 1. Juli.
    Der Erste des Monats war also nicht nur für Jean-François Vesnin und Madeleine Poincaré ein regelmäßiger Termin gewesen.
    Danach hatte Bietigheim weitere berühmte Käser kontaktiert. Unter anderem Égly Ouriet, Davide Aleppo, François de Boisy – und bei allen etwas von einem Treffen in Camembert fallen lassen.
    Keiner wusste etwas darüber. Oder behauptete dies zumindest.
    Er musste zur nächsten Zusammenkunft! Doch es gab ein geographisches Problem: Der Ort Camembert, Mekka des Weißschimmelkäses, lag in der Normandie, im Nordwesten Frankreichs. Gute fünf Stunden Fahrt, ohne Essenspause. Nur ab und an ein Kaffee, durchaus auch mit Milch und Zucker, man durfte nicht herzlos sein.
    Wie gut, dass Pit sich sofort bereit erklärt hatte zu fahren – zumindest nachdem der Professor ihm ein Spiegelei nach allen Regeln der Kunst zubereitet hatte. Passanten waren am Fenster von Jans Haus stehen geblieben und hatten hereingelinst, um herauszufinden, wer diesen köstlichen Duft hervorzauberte. Laien mochten Spiegeleier für eine der leichtesten Übungen der Kochkunst halten, doch ein perfektes, bei dem der Dotter warm und cremig, das Eiweiß jedoch fest und an der Unterseite sogar leicht kross war, ohne Blasen zu schlagen, war eine Kunst. Dazu gerösteter Speck, genau die richtige Menge an Fleur de Sel und frisch gemahlenem weißem Pfeffer – Manna konnte nicht köstlicher munden.
    Der Professor und Pit machten sich am nächsten Morgen in aller Frühe auf den Weg, noch bevor die ersten Vögel anfingen zu zwitschern oder die Sonne zögerlich tastende Strahlen über das Land schickte. Denn nur das Datum, nicht aber die Uhrzeit des Treffens hatte in Jean-François Vesnins Terminkalender gestanden. Es könnte also bereits am Morgen stattfinden. Der Professor schlief fast die ganze Fahrt über und bekam deshalb nicht mit, wie sich die Landschaft um die Autobahn herum verwandelte, als schöbe jemand fleißig Kulissen an ihnen vorbei. Erst hinter Paris wachte er richtig auf und begann sogleich, sich Sorgen zu machen. Denn neben der Uhrzeit fehlte ihm auch eine weitere wichtige Information: der genaue Ort.
    Er selbst war noch nie in Camembert gewesen. Ein Versäumnis, zweifellos, vor allem für einen Gelehrten seines Ranges, doch als Höhe- und Endpunkt seiner Tour de

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