Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor
schweigend. Sie hatten gerade ihr Kochzeug verstaut, als Falken die Worte aussprach, die Travis schon den ganzen Tag gefürchtet hatte.
»Ich glaube, es ist Zeit, daß wir uns mal unterhalten, Travis.«
Travis mußte nicht aufsehen, um zu wissen, daß Melias Blick auf ihn gerichtet war. Beltan saß ein Stück abseits. Der Ritter schärfte sein Schwert mit einem Stein, eine Aufgabe, die seine volle Konzentration zu erfordern schien, aber der Art, wie er den Kopf schief hielt, war deutlich abzulesen, daß er zuhörte.
»Du willst wissen, wie ich das gemacht habe, richtig?« Travis wußte, daß sein Ton defensiv war, aber er konnte es nicht ändern. »Du willst wissen, wie ich ihn … wie ich das Feuer entzündete.«
Falken nickte. »In der Tat, das will ich.«
Travis schloß die Augen und sah wieder den Verrückten vor sich, wie sich seine Hände wie die Krallen eines schwarzen Vogels krümmten, als er sich in den Flammen wand. Er öffnete die Augen und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Falken. Ich weiß nicht, wie ich das gemacht habe.«
»Ich aber.«
Sie drehten sich zu Melia um. Sie hatte ihre blauschwarze Haarmähne geflochten. Jetzt machte sie die letzte Bewegung, um sie ordentlich am Nackenansatz zu befestigen. Als sie erneut das Wort ergriff, richtete sie es an Falken und nicht an Travis.
»In dem Moment, in dem wir die Tür unseres Gemachs öffneten, hörte ich ihn es sagen.«
»Was sagen?«
»Die Rune des Feuers.«
Falken stieß eine leise Verwünschung aus. »Er hat eine Rune gesprochen? Aber wie könnte das möglich sein? Lehrlinge im Grauen Turm brauchen mindestens ein volles Jahr, bevor sie auch nur die einfachsten Runen beschwören können.«
»Es sei denn, man ist ein wildes Talent.«
»Ein wildes Talent? Die gibt es doch nur in Legenden. Melia, das sind Geschichten, damit sich die Lehrlinge unzulänglich fühlen und härter studieren.«
»Du hast die Flammen genauso gesehen wie ich.«
Der Barde quittierte die Worte lediglich mit einem Grunzen.
»Und dann der Zwischenfall in Kelcior mit der gebundenen Rune«, fuhr Melia fort. »Welche andere Erklärung sollte es für beide Vorfälle geben?«
Falken wirkte nicht erfreut, aber er widersprach ihr nicht. »Also, was sollen wir mit ihm machen?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich halte es für angebracht, daß du ihm etwas über Runen beibringst, bevor er sich zu einem Haufen Asche verbrennt. Und uns gleich mit.«
Travis stöhnte innerlich auf. Wieder einmal sprachen der Barde und die Lady über ihn, als wäre er gar nicht anwesend. Er machte sich mit einem erbitterten Laut bemerkbar, und ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn. Er wollte protestieren, aber ihre entschlossenen Mienen verrieten ihm, daß es sinnlos war. Er ließ die breiten Schultern unter dem sackartig herabhängenden grünen Wams hängen.
»Also, wann fange ich mit meinen Lektionen an?«
Falkens Lippen verzogen sich zu einem wölfischen Grinsen. »Jetzt sofort.«
Trotz der weit vorgerückten Jahreszeit trugen die hohen Sormenblätterbäume, die den Talathrin umringten, noch immer die radialen gelbgrünen Blätter, die ihnen ihren Namen verliehen. Travis und Falken setzten sich unter einen der uralten Bäume. Die wäßrigen blauen Augen des Barden maßen Travis mit einem Blick, der ihn zu durchbohren schien.
»Es gibt da eine Sache, die ich wissen muß, bevor wir anfangen, Travis. Wie hast du den Namen der Rune des Feuers erfahren?«
»Ich habe ihn nie gehört. Das heißt, ich wußte nicht, daß ich ihn kannte.« Er holte tief Luft, und dann sprudelte es aus ihm heraus, wie die Stimme in seinem Geist das Wort gesagt hatte, als er die zerbrochene Rune berührte, die Falken in der Schattenkluft gefunden hatte. Jedoch verschwieg er, daß dieselbe Stimme ihm in dem Herrenhaus befohlen hatte, die Rune zu sprechen, und daß die Stimme beide Male genau wie die Jack Graystones geklungen hatte.
Falken rieb sich das stoppelige Kinn. »Ich bin kein Experte in der Runenkunst. Ich verfüge nicht mal über ein Zehntel des Wissens eines Meisters des Grauen Turms, und der verfügt nicht mal über ein Zehntel des Wissens, das einst die Runenmeister beherrschten. Ich weiß nicht, was es mit der Stimme auf sich hat, die zu dir gesprochen hat. Aber im Laufe der Jahre habe ich mir ein paar geringfügige Kenntnisse über Runen angeeignet, und ich glaube, ich weiß genug, um dir beizubringen, wie du es vermeidest, dich und andere zu verletzen, sollte sich die Stimme noch
Weitere Kostenlose Bücher