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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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mehr als alles andere ließ Langeweile sie abenteuerlustig werden. Bevor sie sich anders entscheiden konnte, warf sie sich den schweren Umhang über die Schultern und schlüpfte aus der Tür.
    Zehn Minuten später stand sie vor dem Tor, das zum Unteren Burghof führte. Sie zog den Umhang enger um die Schultern und drückte sich gegen den Steinbogen. Vielleicht war das ja doch keine so gute Idee. Fast zwei Wochen waren vergangen, seit Durge sie nach Calavere gebracht hatte, zwei Wochen seit dem ersten und letzten Mal, daß sie sich auf dem Haupthof des Schlosses befunden hatte, und damals hatte sie beschützt auf dem Rücken eines Pferdes gesessen, hoch über dem Hof. Jetzt war sie zu Fuß, und sie hatte glatt vergessen, wie geschäftig es auf dem Unteren Burghof zuging.
    »Du wolltest dies tun, Grace«, sagte sie durch die zusammengebissenen Zähne. Sie atmete tapfer tief durch und ging weiter.
    Der Schlamm war tiefer, als sie gedacht hatte. Er schmatzte um ihre Stiefel und saugte sie ihr bei jedem Schritt fast von den Füßen. Leute eilten an ihr vorbei: Bauern schleppten Körbe voller Brot oder Äpfel, Knappen erfüllten Botengänge für ihre Herren, Kaufleute verkauften Bier und Kerzen und Tuchballen. Einmal fand sich Grace von einer Herde blökender Schafe umzingelt, und es kostete sie einige Mühe, nicht von vier Dutzend gespaltenen Hufen in den Dreck getreten zu werden.
    Niemand grüßte sie oder schenkte ihr irgendwelche Aufmerksamkeit. Der Umhang verhüllte ihr Kleid, höchstwahrscheinlich hielt sie keiner für eine Herzogin. Davon abgesehen bezweifelte sie, daß sich adlige Frauen ohne ihr Gefolge an diesen Ort wagten. Die meisten der Umstehenden waren die Leibeigenen und Freien, die das Land bestellten und die niederen Arbeiten erledigten, die ein feudales Königreich funktionieren ließen.
    Sie wagte sich tiefer auf den Hof und suchte sich einen Weg durch den Wirrwarr aus Ständen und Karren und Pferden. Viele Dinge erregten ihre Aufmerksamkeit: Schalen aus gehämmertem Kupfer und Messer aus funkelndem Stahl, Holzkisten mit Einlegearbeiten aus Elfenbein und Lapislazuli, Bienenwachskerzen und Spulen mit gefärbter Wolle. Ein von Krankheit schrecklich entstellter Mann stellte an seinen verkrümmten Fingern die großartigen Silberringe zur Schau, die er verkaufte. Zerlumpt aussehende Kinder liefen über den Hof, bettelten oder verkauften primitive Holzamulette, die an Fäden hingen und in verschiedenen Formen zugeschnitzt waren: eine Frau, die ein Jagdhorn hielt, ein Mann mit einem Pferdegesicht, ein schwarzer Stier.
    »Mysterien!« riefen die Kinder. »Mysterien zu verkaufen!«
    Grace blinzelte, als sie begriff. Natürlich – das Stieramulett mußte das wilde Tier repräsentieren, das mit Vathris assoziiert wurde, dem Gott des Kriegerkultes. Woraus folgerte, daß die jagende Frau und der Pferdemann andere Mysterienkulte symbolisierten. Anscheinend gab es in den Domänen mehr als nur eine Religion.
    Sie blieb stehen und blickte auf etwas, das zu ihren Füßen lag. Es war eines dieser Amulette, das in den Schlamm getreten worden war, nachdem es jemand hatte fallen lassen. Sie hob es auf und wischte den Matsch ab. Es handelte sich um einen der unförmigen Stiere. In seinem Rücken steckte eine Nadel, die wohl ein Schwert symbolisieren sollte, denn rote Farbe floß die schwarzen Holzflanken herunter. Sie fuhr mit dem Finger über das Nadel-Schwert. Also opferte auch diese Welt ihre Götter. Sie steckte das Amulett in ihren Lederbeutel und ging weiter.
    Ein köstlicher Duft füllte ihre Nase – er war warm und süß und würzig –, und plötzlich war sie hungrig. Sie folgte dem Geruch bis zu einer Ecke des Burghofes. Am Sockel eines Turms stand zwischen zwei Holzgebäuden – direkt neben einem Tonofen – ein Mann. Sein Gesicht war gerötet, aber man konnte unmöglich sagen, ob es von der Hitze des Ofens oder von seiner Brüllerei herrührte.
    »Gewürzkuchen!« rief er laut, um den Lärm der Masse zu übertönen. »Gewürzkuchen, warm und schmackhaft, vom König selbst geschätzt!«
    Er drehte sich um und sah Grace vor sich stehen, ein Grinsen breitete sich auf seinem roten Gesicht aus. Dem traurigen Zustand seiner Zähne nach zu urteilen, hatte er mehr als nur einmal von seinen eigenen Waren gekostet. Er hielt ihr einen kleinen, braunen Kuchen hin.
    »Kommt, Euer Hoheit«, sagte er. »Versucht ihn.«
    Euer Hoheit? Soviel zu ihrer Verkleidung. Sie zog den Umhang enger um ihren Hals und schüttelte den

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