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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Er jagte auf seinen Freund zu und biß sich auf die Zunge, als er sich das Schienbein an einer Holztruhe stieß. In dem Moment, in dem er Jack erreichte, ertönte hinter ihm ein letzter Schlag. Türangeln quietschten, altes Holz explodierte inmitten einer Wolke aus Splittern, sengendes Licht flutete in das Geschäft.
    Jack zog Travis über die Schwelle der Kellertür auf die oberste Stufe. Sie drehten sich um und schlugen gemeinsam die Tür zu. Einen flüchtigen Augenblick lang sah Travis durch den sich schließenden Spalt eine Gestalt, die sich vor dem grellen Licht abzeichnete. Der Umriß des Eindringlings war groß und schlank, und er näherte sich mit einer flinken, unheilvollen Anmut. Dann schlug die Tür zu und blockierte die Sicht. Mit zitternden Händen schob Jack einen stabilen Querbalken in die dafür vorgesehenen Halterungen am Türrahmen. Zusammen liefen und stolperten die beiden Männer die Treppe in den Keller hinunter. Mit Laken verhüllte Möbelstücke ragten wie ein gespenstischer Chor auf, die Kellerluft war so kalt wie in einer Gruft. Über ihnen ließ der erste Stoß die Tür erzittern. Geisterhaftes Licht quoll zwischen unterem Rand und Schwelle hindurch und schwebte leichenblassem Nebel gleich die Stufen hinunter.
    Jacks dünnes graues Haar wehte um seinen Kopf. »Der Balken wird sie nur kurze Zeit aufhalten. Du mußt gehen, Travis. Schnell.« Er eilte zur gegenüberliegenden Wand und öffnete eine kleine Holztür. Dahinter schloß sich ein finsterer Durchgang an. »Dieser Tunnel führt zu dem Gartenschuppen hinter dem Haus.«
    »Und was ist mit dir, Jack?«
    Ein zweiter Stoß erschütterte die Kellertür.
    »Travis, jetzt ist keine Zeit für Diskussionen.«
    »Aber warum kommst du nicht mit?« Jeder Instinkt befahl Travis zu fliehen, durch den Tunnel zu krabbeln, so schnell wie er nur konnte in die kalte Oktobernacht zu laufen. Und doch konnte er Jack nicht einfach so zurücklassen.
    »Dafür habe ich meine Gründe.«
    Jacks Stimme und sein Gesichtsausdruck waren so hart wie Stahl. So hatte ihn Travis noch nie zuvor gesehen.
    »Dann laß mich dir helfen.«
    »Du weißt nicht, womit du es hier zu tun hast, Travis.«
    Travis schüttelte den Kopf, in dem sich alles drehte. »Jack, ich kann dich doch hier nicht einfach zurücklassen!«
    Als der ältere Mann das hörte, wurde sein Ausdruck etwas weicher. »Du mußt keine Angst haben, Travis. Ich habe das alles hier nicht geplant, aber jetzt erkenne ich, daß es der einzige Weg ist. Wenn ich Glück habe, kann ich dir die Zeit verschaffen, die du zur Flucht brauchst. Du mußt sie jedoch auch nutzen.« Ein trauriger Ausdruck trat in seine blauen Augen. »Du bist jetzt unsere einzige Hoffnung.«
    Er ergriff Travis' Rechte mit beiden Händen und drückte sie.
    »Vergib mir, mein Freund.«
    Ein Schmerz raste Travis' Arm hinauf. Für den Bruchteil eines Augenblicks fühlte es sich so an, als stünde sein ganzer Körper in Flammen. Eine siedende Glut schlug über ihm zusammen, durchdrang Fleisch, Blut und Knochen und strömte durch seinen Körper, als wäre er so durchsichtig und zerbrechlich wie Glas. Travis wollte schreien, aber seine Stimme versagte in der tosenden Feuerwoge, die ihn einhüllte. Beim nächsten Herzschlag würde sie ihn zu Nichts verbrennen.
    Der Augenblick zersplitterte. Travis taumelte von seinem Freund fort. Das sengende Feuer war verschwunden, dafür rann ihm kalter Schweiß die Seiten hinunter. Obwohl er den zu erwartenden Anblick fürchtete – verbranntes Fleisch und geschwärzte Knochen –, blickte er auf seine pochende Hand. Die Haut war glatt und unverletzt. Doch die auf den Knöcheln wachsenden Härchen hatten sich in feine graue Asche verwandelt.
    Er sah Jack mit einer Mischung aus Furcht und Staunen an.
    »Geh, mein Freund«, sagte Jack. »Mögen die Götter mit dir sein.«
    Travis schüttelte den Kopf in blankem Unverständnis. Ein weiterer Stoß ließ die Kellertür erbeben. Der dicke Querbalken knirschte wie brechende Knochen.
    »Travis, geh!« Der sympathische und immer leicht gedankenverlorene alte Mann, den Travis seit sieben Jahren kannte, war plötzlich verschwunden. An seiner Stelle stand ein imposanter Fremder: Seine Stimme war befehlsgewohnt, das Gesicht scharf geschnitten, mit blitzenden Augen.
    Diesmal tat Travis wie geheißen.
    Er tauchte in den engen Tunnel ein. Spinnweben legten sich auf sein Gesicht und seine Hände, die er mit einem Aufschrei zerriß. Hinter ihm krachte es laut, als die Kellertür

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