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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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leitenden Assistenzarztes. Grace konnte Underwood nicht ausstehen, behielt ihre Gefühle aber immer für sich. Sie wollte ihm nicht die Befriedigung geben, daß er wußte, daß sie sich über ihn ärgerte. »Es waren fünfzehn Minuten, Morty. Ich bin sofort gekommen, nachdem Sie mich angepiept haben.«
    Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Nachdem ihr Pieper das erste Mal ertönt war, hatte sie mehrere Minuten im Park gestanden und im Zwielicht nach dem Mädchen in dem altmodischen Kleid Ausschau gehalten, aber es war verschwunden wie ein Geist. Vielleicht war es in gewisser Weise auch genau das gewesen. Kurz vor dieser seltsamen Begegnung hatte sie an das Waisenhaus gedacht, und in diesen Erinnerungen wimmelte es von so vielen Geistern, daß es für hundert Spaziergänge gereicht hätte. Und doch war Grace nicht so ganz davon überzeugt. Das Mädchen hatte so real gewirkt. Beinahe schon zu real. Als wäre alles, was Grace an diesem Tag gesehen hatte – das Krankenhaus, die Stadt, ihr Apartment –, Trugbilder und allein das Mädchen in der antiquierten Kleidung wahr echt gewesen. Und selbst wenn das Mädchen nur ein Gespenst ihrer Erinnerungen gewesen war, warum hatte es dann von der Zukunft gesprochen?
    Underwood hob die Hand, um den Sitz seiner mit reichlich Pomade festgeklatschten Haarsträhnen auf seinem frühzeitig kahl werdenden Kopf zu prüfen. »Brauchen Sie noch mal so lange, um hier aufzutauchen, werde ich es melden, Grace.«
    Grace täuschte Zerknirschung vor, um endlich von Underwood wegkommen und mit der Arbeit anfangen zu können. »Welcher ist meiner?« fragte sie.
    Zischend glitten die Eingangstüren der Notaufnahme auf. Zwei Rettungssanitäter in makellos weißen Uniformen rollten in halsbrecherischem Tempo eine Trage hindurch. Einer der Sanitäter rief nach Hilfe. Hinter ihnen kamen zwei Polizisten, die Hände auf den Waffen in ihren Gürtelholstern. Auf der Trage wand sich schmerzerfüllt ein Mann mit blutverschmierter Brust.
    »Ich schätze, das ist Ihrer, Grace«, sagte Underwood mit einem hämischen Lächeln. »Sieht nach einer hübschen Brustwunde aus. Viel Spaß.«
    »Danke« war alles, was Grace dazu einfiel. Sie wandte Underwood den Rücken zu und lief zu der Trage, um zu helfen.
    »Was haben wir?« fragte sie einen der Sanitäter.
    »Eintrittstrauma durch Schußverletzungen«, sagte er. »Zwei Eintrittswunden, kein Austritt aus dem Körper.«
    Grace schnappte sich einen vorbeihastenden jungen Praktikumsarzt. »Ich brauche zwei Einheiten 0-negativ und ein tragbares Röntgengerät, und zwar im Traumaraum Drei.« Der junge Mann sprintete los, und sie befahl einen weiteren Assistenzarzt und zwei Schwestern zu sich.
    »Wie ist das passiert?« fragte Grace, als sie den Korridor entlangliefen.
    Einer der Cops, eine Frau mit graugeflecktem Haar, antwortete. »Der Verdächtige wurde beim Einbruch in ein Antiquitätengeschäft auf dem South Broadway erwischt. Wir kamen an den Tatort und wurden Zeugen, wie der Verdächtige eine Frau angriff, die Besitzerin. Als er sich nicht ergab, streckte ich ihn mit zwei Schüssen nieder.«
    Grace sah die Polizistin an. »Und die Frau? Wo ist sie?«
    »Dort«, sagte der andere Beamte; sein jungenhaftes Gesicht trug einen grimmigen Ausdruck. Grace folgte seinem Blick. Auf der anderen Seite der Notaufnahme schob Leon Arlington eine Trage in den Aufzug. Darauf lag eine von einem Laken verhüllte Gestalt. Leon nickte ihr zu, während sich die Aufzugtüren schlossen.
    »Die Ladenbesitzerin lag tot am Tatort«, fuhr der junge Beamte fort. »Ihr Genick war gebrochen, der Verdächtige hat das mit bloßen Händen gemacht. Ein kräftiger Bastard, das muß man ihm lassen. Ich frage mich bloß, warum er ein Antiquitätengeschäft überfiel. Es war viel weniger Bargeld da als in einem Lebensmittelladen.«
    »Vielleicht ein Sammler«, sagte Grace. Sie schüttelte den Kopf. »Alles klar. Wir übernehmen.«
    Augenblicke später rollten Grace, der Assistenzarzt und die Schwestern, alle jetzt in sterilen Kitteln, die Trage in den Traumaraum. Auf ihr Kommando hin hoben sie den Patienten auf den OP-Tisch. Innerhalb von Sekunden hatten ihm die Schwestern Elektroden auf die Brust geklebt, eine Infusion angehängt und einen Katheter gelegt.
    Grace verschaffte sich ihren ersten genauen Blick auf den Patienten. Ein männlicher Weißer, Ende Zwanzig, der für einen typischen Überfallverdächtigen seltsam adrett und begütert aussah. Doch es kümmerte sie nicht, wer er war. Er war

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