Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
Vom Netzwerk:
Hörner? Dann schloß sich die Lücke in dem Vorhang. Schwester Mirrim und das Kind Samanda waren gegangen. Travis vermutete, daß alles nur eine Sinnestäuschung gewesen war, hervorgerufen durch den Qualm und die Schatten, dennoch mußte er unweigerlich an Waunita Lost Owls Delgeth denken.
    Da bemerkte er, daß er außer Bruder Cy der letzte im Zelt war. Er eilte auf den Ausgang zu. Er versuchte den durchdringenden Blick des Predigers zu meiden, wühlte in den Taschen seiner Jeans herum, fand einen zerdrückten Fünf-Dollar-Schein und ließ ihn in den Hut fallen.
    »Danke, mein Sohn.«
    Travis sagte nichts. Mit gesenktem Kopf griff er nach dem Stück Segeltuch, das den Ausgang bedeckte.
    »Deine Schlacht wird härter sein als die der meisten anderen, mein Sohn, solltest du dich dazu entschließen, sie auszufechten.«
    Travis drehte sich um und lachte. Es war ein hohles Geräusch. Er rieb sich die rechte Hand. »Glauben Sie, ich habe eine Wahl?«
    Ein rasiermesserscharfes Grinsen ließ Bruder Cys faltiges Gesicht in Bewegung geraten. »Nun, wir alle haben die Wahl, mein Sohn. Hast du nichts von dem begriffen, was ich gesagt habe? Allein darum geht es.«
    Travis schüttelte den Kopf. »Und was ist, wenn ich die falsche Entscheidung treffe?«
    »Was ist, wenn du die richtige triffst?«
    »Wie erfahre ich das denn?« fragte Travis. »Manchmal kann ich das eine nicht von dem anderen unterscheiden. Wie soll ich mich da richtig entscheiden können?«
    In Bruder Cys Augen spiegelte sich das Lampenlicht. »Ah, mein Sohn, aber du wirst dich entscheiden müssen. Licht oder Dunkelheit. Vernunft oder Wahnsinn. Leben oder Tod. Diese Möglichkeiten stehen uns zur Wahl, das sind die Schlachten, die wir schlagen müssen.«
    Travis versuchte, die Worte in sich aufzunehmen. Steckte da mehr hinter Bruder Cy, als er angenommen hatte? Ohne bewußt darüber nachzudenken, griff er in die Brusttasche seiner Jacke und holte die Schatulle hervor, die Jack ihm gegeben hatte. Er hielt sie dem Prediger hin.
    »Wissen Sie, ich glaube, der Mann, der mir das hier gab, hat dieselbe Finsternis gesehen wie Sie. Vielleicht … vielleicht wäre es besser, Sie nähmen sie.«
    Bruder Cy lachte schallend. Dann brach das Lachen wie abgeschnitten ab, und ein grimmiger Ausdruck trat in sein Gesicht. Er wich einen Schritt zurück, als wäre ihm allein schon der Gedanke verhaßt, den Behälter auch nur berühren zu müssen. »Nein, mein Sohn. Das, was du trägst, ist nicht für Leute wie unsereins gemacht. Es ist jetzt deine Last, nicht die eines anderen.«
    Travis seufzte. Er hatte befürchtet, daß der Prediger etwas in der Art sagen würde. Hier gab es nichts mehr für ihn zu tun. Er steckte die Schatulle zurück in die Jackentasche und schob die Plane beiseite.
    »Warte, mein Sohn!« sagte Bruder Cy. »Du brauchst ein Andenken, etwas, um deinen Glauben zu stärken, etwas, an das du dich erinnern kannst, wenn alles zu finster und die Heimat zu weit weg erscheint.« Er griff in den Hut, zog einen kleinen, funkelnden Gegenstand hervor und drückte ihn Travis in die Hand. Er fühlte sich kühl auf seiner heißen Haut an.
    »Danke«, sagte Travis, da er nicht wußte, was er sonst hätte sagen sollen. »Und ich hoffe, Sie halten Ihre Finsternis auf, was auch immer dahintersteckt.«
    »Es ist nicht meine Finsternis, mein Sohn. Sie betrifft uns alle.«
    Einen beunruhigenden Augenblick später wurde die verqualmte Welt des Zeltes von leerem Zwielicht ersetzt. Travis keuchte auf. Er stand plötzlich vor dem Zelt, obwohl er keine Erinnerung daran hatte, durch den Ausgang geschritten zu sein. Er hob die Faust und öffnete sie. Auf seinem Handteller lag ein silbern funkelnder Halbkreis. Es handelte sich um eine Münze beziehungsweise um ein Stück davon, denn wie der scharfe Rand verriet, war sie zerbrochen. Auf jeder Seite befand sich ein Bild, und er versuchte, es in dem von dem Zelt ausgehenden Licht zu erkennen, was ihm aber nicht gelang.
    Plötzlich wurde das Zelt dunkel, wie eine ausgeknipste Glühbirne, und Travis stand allein in der kalten Nacht.

16
    Travis steckte die halbierte Münze in die Hosentasche und ging los, obwohl er nicht die geringste Vorstellung davon hatte, wo er eigentlich hinging. Der Mond hatte sich hinter einer Wolke versteckt, die Straße schien bloß von der Dunkelheit in die Dunkelheit zu führen. Seine Stiefel trommelten einen einsamen Rhythmus auf den Asphalt.
    Er war erst ein kurzes Stück gegangen, als das schwarze Tuch der Nacht ohne

Weitere Kostenlose Bücher