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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Stiers war zurückgebeugt, Augen und Schnauze waren weit aufgerissen, so daß Travis sein Todesröcheln beinahe zu hören glaubte. Aus dem Schnitt im Hals quoll Flüssigkeit, nur daß es kein Blut war. Es war Wasser. Das Wasser strömte den Hals hinunter und floß in ein Becken am Fuß der Statue, um von dort im Garten zu versickern.
    »Ein prächtiges Exemplar«, sagte eine Stimme bewundernd. »Findet Ihr nicht auch?«
    Travis fuhr herum. Ein neuer grüner Fleck war im Garten aufgetaucht, so hell wie ein Smaragd.
    Die Frau kam auf ihn zu, obwohl das Wort schweben wohl eher zutraf. Sie war wunderschön, wenn auch auf eine gänzlich andere Art als der harte, weiße Krieger. Sie bestand nur aus Kurven und weichen Rändern. Dunkelblondes Haar strömte auf ihre Schultern, ihre Haut hatte den süßen Glanz von Aprikosen. Nur ihre Augen waren hart und strahlend; sie hatten die gleiche Farbe wie ihr Gewand.
    Travis suchte nach einer Antwort. Ein prächtiges Exemplar. Ihm war nicht klar, ob sie den Krieger oder den Stier meinte. Vielleicht hatte sie ja auch über ihn gesprochen.
    Nein, das war wenig wahrscheinlich. Er kratzte seinen struppigen Bart und ließ die Schultern sinken. Wer war sie? Was wollte sie von ihm?
    »Eine Freundin«, sagte sie, »die nur mit Euch sprechen will.«
    Er holte bebend Luft.
    Ihre Lippen teilten sich und enthüllten kleine, weiße Zähne. »Ich bin Kyrene, die Gräfin von Selesia.«
    Irgendwie gelang es Travis, sich an seine Manieren zu erinnern. Er ergriff tolpatschig ihre Hand, hielt sie an die Lippen und ließ sie wieder fallen. »Ich bin Travis Wilder.«
    Jetzt, wo sie nahe bei ihm stand, erkannte er die Wildheit in ihr; sie war wie der Garten … nein, das stimmte so nicht. Der Garten war ruhig und friedlich. Ihr Blick dagegen hatte etwas Beunruhigendes. Ihr prächtiges Haar war ungekämmt, und ihr Gewand, das auf modische Weise enthüllend war, saß nicht richtig und hätte dringend gerichtet werden müssen.
    Kyrene ging an ihm vorbei auf die Statue zu. »Vathris Stiertöter«, zischte sie. Sie drehte sich um. »Es gibt Leute, die die Meinung vertreten, daß das Schwert die Antwort für alles ist. Glaubt Ihr das auch, Travis Wilder?«
    Er schaute auf seine Hände. »Nein. Es ist niemals richtig, einen anderen zu verletzen. Niemals.«
    Der Duft von Aprikosen. Er schaute auf, und sie stand neben ihm. Ihre Brüste waren zwei reife Früchte in dem perlenbesetzten Korb ihres Dekolletés. Fror sie nicht?
    »Ihr reist in interessanter Gesellschaft, Freisasse Travis.«
    »Ihr meint Falken und Melia?«
    »Ja. Falken Schwarzhand und Melindora Nachtsilber sind in diesen Landen wohlbekannt, wenn auch nicht überall besonders angesehen. Aber Ihr habt einen feinen, starken Freund im Neffen des Königs. Steht Ihr und Beltan euch … sehr nahe?«
    Sie lachte, aber es war ein seltsamer Laut, und seine Nackenhärchen richteten sich auf. Etwas sagte ihm, er sollte gehen, aber er kam sich wie angewurzelt vor, als hätten sich die Schlingpflanzen des Gartens um seine Beine gelegt.
    »Was wollt Ihr?« flüsterte er.
    »Euch nur etwas fragen, mein Lieber.« Ihre Stimme war beruhigend, und doch durchfuhr sie seinen Kopf wie ein Stich. Sie pflückte ein Blatt von einem Busch. »Es gibt da welche von uns, die an die Macht des Lebens glauben.« Sie ließ das Blatt fallen und zertrat es mit ihrem Schuh. »Und es gibt jene, die glauben, Dinge zu zerstören sei immer die Antwort.«
    Er konnte den Blick nicht von ihr nehmen. Trotz der kalten Luft rann ihm an den Seiten der Schweiß herunter. Sie hob die Hand und strich über seine rauhe Wange.
    »Du solltest dich nicht hinter diesem Bart verstecken, mein Lieber. Du hast ein so hübsches Gesicht.«
    Er befeuchtete sich die Lippen. Das Denken fiel ihm so schwer. Sein Verstand fühlte sich an wie in Honig getaucht. »Was wolltet Ihr mich denn fragen?«
    »Nichts Besonderes. Nur eine Kleinigkeit. Weißt du, ich habe dich gesehen, im Ratssaal, die Rune, die du zerbrochen hast, und ich fragte mich, ob ich mir wohl deine Hand ansehen dürfte …«
    Nein, Travis, sagte eine Stimme in seinen Gedanken. Das darfst du ihr nicht erlauben.
    Doch die Stimme war leise und kam aus großer Ferne. Er wehrte sich nicht, als sie seine rechte Hand nahm. Sie beugte den Kopf mit leuchtenden Augen darüber, um seine Handfläche zu untersuchen.
    »Geht weg von ihm, Kyrene!«
    Der warme Hauch, der Travis einhüllte, riß schlagartig auseinander. Er schnappte keuchend nach Luft; sie war eiskalt

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