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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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besser zurück in sein eigenes Gemach gehen, bevor Melia auffiel, daß er weg war. Aber genauso, wie zwei Amerikaner, die sich in New York keines Blickes würdigen würden, in einem Café in Paris sofort Freundschaft schließen, spürte er eine Verbindung zu dieser Frau. Er hatte tief durchgeatmet und war durch die Tür gegangen.
    »Ich heiße Grace Beckett«, sagte sie. »Ich komme aus Denver.«
    Erst als sie dies sagte, wurde ihm bewußt, daß sie sich gut und gern eine Minute lang angestarrt hatten.
    »Travis«, sagte er. »Travis Wilder. Und ich …« Es auszusprechen schien alles noch viel unglaublicher zu machen. »Ich komme aus Castle City. Das ist eine kleine Stadt oben in …«
    Grace nickte. »… in den Bergen. Natürlich, das paßt. Woher solltest du auch sonst kommen.«
    »Kennst du die Stadt?«
    Sie ging zu einer Kommode und nahm eine Zinnkaraffe in die Hand. »Ich hoffe, du willst etwas trinken, denn ich brauche jetzt einen kräftigen Schluck. Und dieses Mal schenke ich ein.«
    Travis kratzte sich das Genick. »Die Sache tut mir auch leid.«
    »Laß gut sein. Hier, trink.«
    Sie drückte ihm einen Pokal in die Hand. Er hielt den Becher in zwei Händen und nippte daran. Kühler Rauch und warme Kirschen. Bei ihr gab es also keinen einfachen Bauernwein. Er kippte den Rest runter.
    »Danke«, sagte er atemlos.
    Grace ging jetzt vor dem Kamin auf und ab. Ihr Gewand flüsterte wie geheimnisvolle Stimmen. Sie schien sich darin wohl zu fühlen – sie machte einen selbstsicheren, beinahe schon majestätischen Eindruck –, zumindest wohler als er nach einem Monat in seinem rauhen Wams. Kam sie wirklich von der Erde? Aber das mußte sie. Es gab keine andere Erklärung.
    »Bist du schon lange hier?« fragte er. »Auf Eldh, meine ich?« Die Frage klang absurd, aber sie würde sie verstehen.
    »Einen knappen Monat.« Sie sah ihn aus ihren grün-goldenen Augen an. Sie waren eindrucksvoll und fesselnd. »Du bist genauso lange hier, stimmt’s?«
    Travis nickte, wieder verblüfft. Woher wußte sie das?
    »Wir haben Bruder Cy bestimmt am selben Abend getroffen. Das ist die einfachste Erklärung. Eins habe ich als Ärztin gelernt: Die einfachste Erklärung ist fast immer die richtige.«
    »Ich finde nicht, daß hier irgend etwas einfach ist.«
    Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Wein. Plötzlich sah sie sehr entmutigt aus. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich deshalb besser.
    »Nein«, sagte sie. »Nein, es ist wirklich nicht einfach.«
    Sie bedeutete ihm, sich ans Feuer zu setzen. Es kam ihm ein wenig seltsam vor. Sie waren beide aus Colorado. Es gab keinen Grund, warum er sich bei ihr unwohl fühlen sollte. Aber sie war wie eine Adlige gekleidet und er wie ein Bauer. Es kostete eine gewisse Mühe, nicht in die Rolle zu verfallen, die einem die Kleidung vorschrieb. Er zwang sich dazu, sich zu setzen, und sie nahm den Stuhl ihm gegenüber.
    »Also, wer fängt an?« fragte er mit einem nervösen Lachen.
    »Wir sind in meinem Gemach, also bist du mein Gast«, sagte sie. »Ich habe zwar nicht oft Besuch, aber ich nehme an, daß ich dir den Vortritt lassen sollte. Das wäre wohl das höflichste, oder?«
    Wieder wirkte sie unsicher, was er irgendwie seltsam fand.
    »Na gut«, sagte er, »dann fange ich eben an.«
    Grace glättete sichtlich erleichtert ihr Gewand.
    Travis überlegte einen Moment. Wo sollte er bloß anfangen? Er machte den Mund auf, und zu seiner eigenen Überraschung fehlten ihm die Worte nicht.
    »Es hat alles angefangen, als ich das Glockenspiel hörte.«
    Als er fertig war, schwieg sie zuerst eine Weile und starrte ins Feuer. Er befürchtete schon, sie würde überhaupt nicht mehr sprechen, als er endlich ihre leise Stimme hörte.
    »Ich habe es auch gesehen.«
    Er hielt sich an den Armlehnen seines Stuhls fest.
    »Das Symbol.« Sie sah ihm in die Augen. »Das wie ein Auge aussieht. Ich habe beobachtet, wie ein Mann in einer schwarzen Kutte es hier im Schloß in eine Tür geschnitzt hat.«
    »Ein Anhänger des Rabenkults«, sagte er, mehr zu sich selbst als zu ihr. Dann gab es sie hier im Schloß also auch. Das konnte nichts Gutes bedeuten. »Vielleicht solltest du jetzt besser deine Geschichte erzählen, Grace.«
    Sie nickte und leckte sich über die Lippen. »Ich arbeitete in der Notaufnahme des Denver Memorial Hospitals. Ich bin, das heißt, ich war Assistenzärztin. Es war ein Abend wie jeder andere. Ein paar Leute mit Verbrennungen, das war alles. Dann traf ich im Park das Mädchen, das

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