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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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»Das war er auch. Der mächtigste König, den Calavan seit einem Jahrhundert gehabt hatte. Vor seiner Zeit waren die Raubritter Calavere immer näher gekommen. Unter seiner Herrschaft wurden sie ins Grenzland von Calavan zurückgetrieben und dann einer nach dem anderen vernichtet. Calavan wird seinesgleichen nicht so schnell wiedersehen.«
    Travis wußte, daß er es besser nicht sagen sollte, aber er konnte sich nicht zurückhalten. »Du wärst auch ein starker König geworden, Beltan.«
    Der Ritter schloß einen Moment lang die Augen. »Ich? Ein mächtiger König?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Travis. Ich könnte nie wie Beldreas sein. Ich habe noch nicht einmal meinen Schwur erfüllen und seinen Mörder finden können.«
    »Aber du hast es versucht, Beltan. Du mußt dir selbst vergeben.«
    Der Ritter erwiderte Travis’ Blick. »Das kann ich nicht.«
    Travis wollte widersprechen und Beltan sagen, daß er sich irrte, daß er sich für Dinge, die er nicht ändern konnte, nicht die Schuld geben konnte. Doch statt dessen nickte er. »Ich verstehe. Ich habe auch einmal ein Versprechen gebrochen.«
    Wirst du hier sein, wenn ich morgen früh aufwache?
Ich verspreche es.
Indianerehrenwort?
Indianerehrenwort.
    Beltan sah ihn fragend an, aber Travis’ Blick blieb starr auf den toten König gerichtet. Beltan schloß sich ihm an. Die Kerze war schon weit heruntergebrannt.
    »Wir sollten gehen«, sagte Beltan schließlich. »Melia wird dich schon suchen.«
    Travis trat von der Bahre weg, blieb dann stehen und griff nach dem Arm des Ritters. »Du bist stark, Beltan. Du bist der stärkste Mann, der mir je begegnet ist.«
    Der Ritter war sichtlich überrascht. Und so überraschend das auch schien, plötzlich lächelte er. Und in diesem Augenblick war Beltan edler und ansehnlicher als all die schlafenden Könige in der Gruft.
    »Ich weiß zwar nicht, wie du mich hier gefunden hast, Travis, aber ich bin froh, daß du gekommen bist.«
    Travis antwortete mit einem Lächeln. Der Ritter blies die Kerze aus, und zusammen verließen sie die stille Gruft.

19
    Grace schloß hinter sich die Tür zu ihrem Gemach, lehnte sich gegen das Holz und seufzte halb aus Erleichterung und halb aus Erschöpfung.
    »Bloß keine Adligen mehr«, sagte sie in den leeren Raum hinein. »Bloß keine Adligen mehr, bloß keine Adligen mehr, bloß keine Adligen mehr!«
    Sie schleppte sich von der Tür weiter in den Raum hinein. Es war seltsam, daß ihr dieses Gemach vor nicht allzu langer Zeit noch wie ein Gefängnis vorgekommen war. Nun war es ein ruhiger Hafen, den sie viel zu selten genießen konnte. Das violette Glitzern von Glas auf der Kommode fiel ihr ins Auge. Sie ging darauf zu. Wein. Ja, ein Schluck Wein würde ihr jetzt guttun. Sie füllte einen kleinen Zinnbecher und ließ sich auf den Stuhl am Feuer fallen.
    Draußen schien der Himmel in Flammen zu stehen. Der Rat der Könige hatte wieder den ganzen Tag diskutiert. Grace hatte angenommen, daß ihre Anwesenheit nach der ersten Sitzung nicht mehr nötig gewesen wäre. Sie war nur noch gelegentlich für eine Stunde in den Ratssaal geschlüpft, um die Berichte des einen oder anderen Herrschers zu hören, aber insbesondere nach ihrem vorgeblichen Streit mit Boreas schien es ihr angemessen, dem Rat fernzubleiben. Sollten die Adligen eben zu ihr kommen. Das wirkte auch viel geheimnisvoller.
    Das hatte sich schlagartig geändert, als Boreas vor drei Tagen plötzlich in ihr Gemach geplatzt war. Grace hatte hastig ein Schnupftuch über den Mörser und Stößel auf der Kommode geworfen. Sie war gerade dabeigewesen, nach Kyrenes Anweisungen trockene Kräuter zu zerstoßen, um eine Art medizinischen Tee herzustellen. Die Gräfin hatte ihn einen Kräutertrank genannt, der in kleinen Mengen einen nervösen Geist entspannen konnte. In stärkerer Form konnte er eine Trance hervorrufen und willig und beeinflußbar machen.
    Der staubig-süße Geruch von Kräutern lag in der Luft, und Grace war sich sicher, daß Boreas ihn bemerken würde, aber anscheinend roch er nichts. Er mußte gerade von der Jagd am Rand des Dämmerwaldes zurückgekehrt sein, denn er trug nur schwarze Reithosen, die sehr eng um seine schlanken Hüften geschnitten waren, sowie ein weißes Hemd, das nicht ganz zugeschnürt war und Einblick auf seine harte Brust gewährte. Ein metallischer Geruch umgab ihn, den Grace nur zu gut kannte: Blut.
    Er drängte sie unvermittelt in eine Ecke, als ob sie seine nächste Beute sein sollte. Aus einem

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