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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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gesprochen hatte. Es war also gar kein Lumpenbündel, sondern ein Mensch. Er konnte kein Gesicht ausmachen – der Kopf der Person wurde von einem Fetzen verborgen, der vor langer Zeit möglicherweise einmal ein Schal gewesen war –, aber er konnte ein paar feine Strähnen graues Haar ausmachen, und die Stimme hatte zwar heiser, jedoch eindeutig weiblich geklungen. Es war also eine Frau. Aber was für eine Frau? Es konnte keine Bäuerin sein, nicht zu dieser Stunde im Schloß. Und es war mit Sicherheit keine Adlige. Es konnte also nur eine Magd sein.
    »Na, du bist mir ja vielleicht eine große Hilfe«, sagte das Bündel – beziehungsweise die Magd.
    Travis wurde klar, daß er nur zugesehen hatte, während sie sich auf die Beine kämpfte. Er trat auf sie zu, um ihr zu helfen, aber eine knorrige Hand stieß ihn unwillig zurück.
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte er.
    »Davon geht es meinen alten Knochen auch nicht besser.«
    Er verzog das Gesicht und versuchte es noch einmal. »Kann ich dir helfen?«
    »Mir helfen?« Tief aus den Lumpen heraus ertönte ein Kichern. »Mir helfen? Ich brauche keine Hilfe. Ich weiß genau, welchen Weg ich einschlage.« Ein knochiger Finger schoß aus den Lumpen hervor und zeigte auf seine Brust. »Und du?«
    Travis schüttelte den Kopf. Er war sich nicht sicher, wie man am besten mit verrückten alten Frauen umging.
    »Pah!« Die Magd machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn du mir nicht antworten willst, dann geh mir aus dem Weg.« Sie drängte sich an Travis vorbei und hinkte den Gang hinunter.
    Da sah Travis etwas auf dem Boden liegen. Es war ein kleines Bündel aus zerfetztem Stoff. Die Alte mußte es fallen gelassen haben; es sah aus wie eine Miniaturausgabe von ihr. Travis bückte sich und hob es auf.
    »Hallo, du hast was vergessen!« Doch die Magd war schon nicht mehr zu sehen. Travis schaute in Richtung seines Gemachs, dann auf das Bündel in seiner Hand. Er stöhnte entnervt, dann ging er der Frau nach.
    Sie war nirgendwo zu sehen. Aber sie konnte noch nicht weit gekommen sein. Er fing an zu laufen, und als er um die nächste Ecke bog, sah er einen grauen Schatten in einem Durchgang verschwinden.
    »Hallo!« Er lief schneller. Wieder konnte er einen kurzen Blick auf sie erhaschen, diesmal, wie sie eine Treppe hochstieg. »Warte! Du hast etwas fallen gelassen!«
    Sie blieb nicht stehen, und als er am Fuß der Treppe angekommen war, hatte sie sich schon wieder in Luft aufgelöst. Travis atmete tief durch und raste die Treppe hoch.
    Noch dreimal konnte er gerade eben sehen, wie sie um eine Ecke oder durch eine Tür verschwand, aber sie reagierte nicht auf seine Rufe, und er schien sie nicht einholen zu können, so schnell er auch rannte. Trotz ihres hinkenden Gangs bewegte sich die Alte mit fast schon unheimlicher Behendigkeit.
    Travis lehnte sich an eine Wand. Wer diese alte Dienerin auch war, sie wollte offenbar nicht erwischt werden. Er steckte das Bündel in die Tasche seines Wamses und sah sich um. Der Gang, in dem er sich befand, war ihm völlig unbekannt. Er hatte das Gefühl, irgendwo tief unter dem Schloß zu sein – das Gewicht der Steine schien schwer in der Luft zu wiegen –, aber mehr konnte er nicht sagen.
    »Gut gemacht, Travis. Jetzt hast du dich verlaufen.« Ihm blieb nichts anderes übrig, als loszugehen und zu hoffen, vor Sonnenaufgang wieder einen ihm bekannten Teil des Schlosses gefunden zu haben. Er ging den Weg zurück, den er gekommen war.
    »Vergib mir, Vater«, flüsterte eine Stimme.
    Travis blieb stehen und drehte sich um, aber es war niemand da. Sein Blick fiel auf einen Durchgang, und er begriff. Die Stimme war wie ein Echo von den gewölbten Steinen zu ihm getragen worden. Auf beiden Seiten des Durchgangs standen Statuen, zwei Krieger, die beide gefährlich und edel aussahen und sich dabei auf ihre Steinschwerter stützten. Ihre fahlen Augen sahen Travis mit einem Blick an, der ihm zwar nicht den Zutritt verbot, der aber zu sagen schien: Tritt hier nicht ohne guten Grund ein. Hinter dem Torbogen flackerte Licht.
    »Ich habe all diese Jahre gesucht, in allen Domänen und über ihre Grenzen hinaus, aber ich habe dich trotzdem enttäuscht.«
    Travis griff haltsuchend nach dem Torbogen. Es war nicht nur die Verzweiflung in der Stimme, die ihn so sehr traf, sondern die Tatsache, daß er sie erkannte.
    Er riß sich zusammen, trat durch den Eingang und fand sich am Ende eines langen Raumes wieder. Links und rechts an den Wänden stand je

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