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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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hier viel ergiebiger, viel potenter als alles, was sie im Garten gefühlt hatte. Selbst die Pferde schienen die von ihnen ausstrahlende Wärme zu spüren, als sie aufsaßen, denn sie schnaubten und tänzelten umher, und sie galoppierten munter drauflos, als es zurück zum Schloß ging.
    Grace war davon überzeugt, daß ihre Magie sie vor Erfrierungen oder Schlimmerem bewahrt hatte. Doch als sie zur Brücke über den Dimduorn kamen, hatte die Wärme angefangen sich zu verflüchtigen, und als sie den Fuß des Schlosses erreichten, zitterten sie wieder.
    Sie schob eine widerspenstige Strähne aschblondes Haar hinters Ohr. »Du hast nicht danach gefragt, Travis. Du hast nie gefragt, wie ich uns warm halten konnte.«
    Er schaute zu ihr hoch, einen Kienspan in der Hand. »Ich wußte, du würdest es mir erzählen, wenn du soweit bist, Grace.« Er schichtete das Holz im Kamin auf, dann schloß er die Augen und sprach ein leises Wort. »Krond.«
    Flammen sprangen in die Höhe, goldener Lichtschein leuchtete.
    Die Hitze des Feuers lockte Grace an. Es war härter als die Wärme der Weltenkraft, heller und bösartiger. Die Hitze des Verzehrens, nicht des Lebens. Trotzdem streckte sie ihre steifgefrorenen Hände aus. Daß Travis gerade Magie mit der gleichen Sicherheit wie sie benutzt hatte, wurde ihr erst eine Minute später bewußt.
    »Wir haben beide soviel gelernt, Travis.« Sie sah in das Feuer. »Es sind noch keine zwei Monate vergangen, aber wir gewöhnen uns an diese Welt, werden ein Teil von ihr.«
    Travis starrte ebenfalls in die Flammen. Oder blickte er auf seine Hände, die er vor sich ausgestreckt hielt? Es waren schöne Hände, wie Grace zum ersten Mal auffiel, sie waren lang und wohlgeformt.
    »Ich weiß nicht, Grace«, sagte er leise. »Ich weiß nicht, ob ich mich jemals an diese Welt gewöhnen könnte. O ja, teilweise ist sie wunderbar. Es ist schön hier, wenn auch manchmal furchteinflößend, und ich habe mehr Freunde als je zuvor im Leben. Aber ich gehöre nicht hierher, das kann ich nicht vergessen. Darum muß ich zurück nach Colorado, zurück nach Hause.«
    Grace wollte darauf etwas erwidern, aber dann überlegte sie es sich anders. Was sollte sie sagen? Teilte sie diese Meinung? Da war sie sich nicht so sicher. Wie oft dachte sie an Denver, an die Notaufnahme? Sicher, im Prinzip jeden Tag. Aber es erschien ihr auch irgendwie distanziert, als handele es sich um das Leben einer anderen Person – ein Film, der durch einen nicht sehr hellen Projektor gesurrt und jetzt zu Ende war. Grace blickte auf ihre Hände. Sie war sich nicht so sicher, daß sie zurückkehren wollte. Sie war sich nicht so sicher, daß sie es konnte.
    »Wie wäre es mit einem Schluck Wein?« fragte er.
    Sie richtete sich mit ihm auf. »Ich kann ihn holen.«
    »Nein, ich bin der Barbesitzer, schon vergessen? Das ist meine Aufgabe.«
    Aus dem Becher Wein wurden zwei volle Karaffen. Sie gingen in den Nebenraum des Gemachs, in dem Melia schlief, erweckten das dortige Feuer zu neuem Leben und warfen sich auf das riesige Bett. Sie tranken einen Becher nach dem anderen und lachten, während sie über die Dinge sprachen, die sie in dieser Welt vermißten.
    »Pizza«, sagte Travis. »Ich würde die ganze Horde Könige für eine gute Pizza eintauschen.«
    »Ich würde sie alle für eine heiße Dusche eintauschen.« Allein bei dem Gedanken daran streckte Grace auf dem Bett alle Glieder aus. Die Duschen waren das einzige gewesen, das sie in der Notaufnahme hatten funktionieren lassen. Sie hatte sich immer unter die Dusche im Umkleideraum der Assistenzärzte gestellt, sie bis zum Anschlag aufgedreht und all die Furcht und das Blut und das Leiden abspritzen lassen. Sauber zu sein, hieß den Frieden zu kennen.
    »Wie ist es mit Bier, in dem nichts rumschwimmt?« fragte Travis.
    Sie nickte und trank ihren Wein. »Oder Blue jeans? Und T-Shirts? Und richtige Unterwäsche, aus Baumwolle mit elastischem Bund, jeden Tag ein sauberes Paar?«
    Travis stöhnte. »Hör auf. Du machst mich fertig!«
    Grace hielt sich den Bauch. Das Lachen tat weh – es war so lange her und sie hatte es verlernt –, aber es war gut und wärmte sie mindestens genausogut wie der Wein und das Feuer.
    Am Ende forderten der lange Ritt, die Wärme und der Alkohol ihren Tribut. Ihre Stimmen wurden leise und schläfrig, während sie auf dem Bett lagen, dann verstummten sie ganz. Das letzte, was Grace sah, waren große Schneeflocken, die draußen vor dem Fenster herunterrieselten. Dann

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