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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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hinein. Seine Finger waren steif, es fiel schwer, sie zu bewegen, aber er zwang seine Hände, die Zügel zu halten.
    Die Sonne hatte gerade den westlichen Horizont berührt, als sie es fanden. Sie erklommen den Kamm einer Anhöhe, und Grace stieß einen Schrei aus. Im ersten Augenblick tat Travis’ Herz einen Satz. Er glaubte, etwas wäre nicht in Ordnung. Dann blickte er in die Richtung, in die Grace zeigte. Vor ihnen fiel der Boden sanft ab. Auf der anderen Seite der Senke wuchsen zwei konische Hügel in die Höhe, die so perfekt geformt waren, daß sie unmöglich natürlichen Ursprungs sein konnten. In der Talsenke am Fuß der beiden Hügel erhoben sich neun hohe Gebilde, die einen Kreis bildeten.
    Travis beschattete die Augen mit der Hand. Die aufrecht stehenden Steine warfen lange Schatten, und man konnte nur schwer in ihre Mitte hineinsehen, um einen Eindruck davon zu bekommen, was sich möglicherweise dort verbarg. Grace und Travis wechselten einen langen Blick, dann trieben sie ihre Pferde den Hang hinunter. Das blutrote Licht der untergehenden Sonne durchflutete das Tal. Auf dem weißen Schnee sah es wie Blut aus.
    Die Luft war kalt und still, als sie sich dem Steinkreis näherten, eine Stille, die nur von dem leisen Schnauben der Pferde und dem Knirschen des von Hufen niedergetretenen Schnees durchbrochen wurde. Die Sonne tauchte hinter den Horizont und verschwand. Der Himmel nahm eine schiefergraue Färbung an, und über den Zwillingshügeln leuchtete der sichelförmige Mond.
    »Das ist es«, flüsterte Grace. »Genauso habe ich es gesehen.«
    Travis brachte bloß ein Nicken zustande. Seine behandschuhte Hand griff nach dem Stilett im Gürtel. Der Edelstein blieb dunkel, aber etwas sagte ihm, daß hier trotzdem Gefahr lauerte.
    Sie erreichten den Rand des Kreises und stiegen ab. Schnee knirschte unter ihren Stiefeln. Die Pferde senkten die Köpfe, und ihr Atem dampfte in der Luft, als spürten sie ebenfalls die Notwendigkeit, sich still zu verhalten. Travis und Grace gingen auf den Kreis zu. Die Steine, die die doppelte Höhe eines Mannes erreichten, bestanden aus dunklem Felsgestein; lange Jahrhunderte Wind und Wetter hatten Narben hinterlassen. Travis wußte nicht mehr, wann er und Grace sich an den Händen gefaßt hatten, aber jetzt griff er noch stärker zu und war froh über die Berührung. Gemeinsam traten sie zwischen zwei Steinen vorbei in den Kreis.
    Er war leer.
    Nein, das stimmte so nicht. Es gab Fußabdrücke im Schnee, zwei Paare. Und da war Blut. Es sprenkelte den weißen Boden wie scharlachrote Beeren.
    Travis und Grace gingen in die Mitte des Kreises. Der Schnee war hier nicht so tief. Die Steine fingen eine Menge davon in Verwehungen ab und schützten die Mitte. Die Luft innerhalb des Kreises war reglos, und etwas lag in ihr verborgen, vielleicht eine Art Bewußtsein. Es war nicht wütend, aber es war auch nicht freundlich. Es war uralt und anders, und es beobachtete sie.
    Grace kniete neben den Fußabdrücken nieder, zog einen Handschuh aus und berührte einen der scharlachroten Flecken auf dem Schnee. »Das ist noch nicht gefroren. Es kann nur wenige Minuten her sein, daß das Blut zu Boden getropft ist.«
    Travis nickte. Vögel ließen sich auf den Steinsäulen nieder, als hätte sie etwas vor wenigen Augenblicken aufgescheucht, und sie würden jetzt zurückkehren. »Ich glaube, sie waren gerade hier, Grace. Ich glaube, sie hörten uns kommen und flohen.«
    Sie erhob sich und sah ihn an. »Aber natürlich. In meiner Vision … ich glaubte, er würde mich dort stehen sehen. Ich glaube, das tat er auch, nur sah er nicht mich in meiner Vision, sondern uns, heute abend. Sie sahen uns kommen, und sie flohen.«
    Sie tauschten einen Blick aus, dann rannten sie wie auf ein unhörbares Kommando zur anderen Seite des Kreises. Jenseits der Steine wurden die Fußspuren von zwei Reihen von Hufabdrücken ersetzt. Travis und Grace folgten ihnen an den seltsamen Hügeln vorbei, dann blieben sie keuchend im Schnee stehen. Es war sinnlos. Die beiden Reiter waren weg.
    »Wir sind zu spät gekommen, Grace.« Travis schnappte nach Luft, obwohl ihre Kälte ihn zusammenzucken ließ. »Wir sind völlig umsonst hergekommen.«
    Grace studierte die Hufabdrücke, dann nickte sie. »Vielleicht auch nicht.«
    Travis blickte sie mit gerunzelter Stirn an.
    »Sieh«, sagte sie. »Ein Paar Hufabdrücke führt zurück zum Schloß. Und sieh dort.« Sie zeigte auf den Schnee. »Ein einzelner roter Tropfen.

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