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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Kniebundhosen steckenden Beinen, hielt das Gesicht der Sonne entgegengestreckt, plauderte munter und befragte Lirith oft nach der Gegend, durch die sie ritten. Bei diesen Gelegenheiten beugte die Hexe stets ihren Kopf hinunter, als wären ihre Antworten allein für ihn bestimmt, und jedesmal machte sich auf seinem Gesicht ein Lächeln breit.
    Lirith stellte für Grace in vielerlei Hinsicht noch immer ein Rätsel dar. Sie hatte mit keinem Wort zu verstehen gegeben, was sie von all dem hielt – ihrer Reise, der Flammenpest, Sir Kalleths Tod. Trotzdem war Grace froh über ihre Anwesenheit. Ganz egal, was auch geschah, Lirith schien die Fähigkeit zu haben, immer an das wirklich Wichtige zu denken. So wie sie es gewesen war, die als erste die offensichtliche Wahrheit ausgesprochen hatte: Sie konnten Daynen und Tira nicht in Falanor zurücklassen.
    Grace schaute auf die kleine Gestalt, die vor ihr auf dem Sattel hockte. So leicht und so still, daß sie manchmal ganz vergaß, daß Tira dort saß. Ihre Knochen unter dem Kleidchen waren so dünn wie die eines Vogels. Nur ihr Haar schien als einziges über eine echte Substanz zu verfügen: Es war dick, lockig und so hell wie ein Feuer.
    Das Mädchen sah auf, als würde es ihren Blick spüren. Wie immer drängten sich Grace zuerst die Gegensätze von Tiras Gesicht auf – die eine Seite war ganz zart, mit einem Grübchen versehen und exquisit, die andere eine glänzende Maske aus Narbengewebe. Ein flüchtiges Lächeln umspielte Tiras Mundwinkel, dann senkte sie den Kopf und ließ das Haar nach vorn fallen, damit es ihr Gesicht verbergen konnte. Doch ihr kleiner Körper senkte sich nach hinten und drückte sich an Graces Leib. Grace versteifte sich, dann zwang sie sich dazu, sich zu entspannen und diese Nähe zu akzeptieren. Denn was hatte sie schon groß von einem behinderten Kind zu befürchten?
    Ihre Untersuchung am Abend zuvor hatte ihre früheren Vermutungen bestätigt; große Teile von Tiras rechter Körperseite waren mit Narben bedeckt. Wie sie diese Verbrennungen überlebt hatte, war ein genauso großes Geheimnis wie die Frage, was ihr zugestoßen war. Vor ihrem Aufbruch in Falanor hatte Grace noch einmal den Versuch unternommen, Tira zum Sprechen zu bringen. Sie schien sich von ihren Fragen nicht sonderlich bedrängt gefühlt zu haben, aber sie hatte auch keinen Laut von sich gegeben. Statt dessen hatte sie gebeugt dagesessen und mit einem kleinen Gegenstand auf ihrem Schoß gespielt, den Grace nicht erkennen konnte.
    Frustriert darüber, daß sie nicht zu ihr durchdrang, hatte Grace schließlich eine andere Taktik bemüht und gefragt, ob sie sehen dürfe, womit Tira da spielte. Tira hatte ihr den Gegenstand hingehalten. Es war eine kleine, primitive Puppe, die aus mit einem ausgefransten Lappen umwickelten Stück Holz bestand. Grace hatte die Puppe entgegen genommen, sie umgedreht und zischend Luft geholt. Die eine Seite des Puppenkopfs war verkohlt, als hätte man ihn absichtlich ins Feuer gehalten. Tira hatte die kleinen Finger ausgestreckt, die Puppe zurückgenommen und sanft über das verfilzte, aus Bindfäden gefertigte Haar gestrichen.
    Danach waren Grace die Fragen ausgegangen. Aber ihr war klar gewesen, daß Lirith recht hatte, daß man weder Tira noch Daynen in Falanor zurücklassen konnte. Die Dorfbewohner hatten sich voller Furcht in ihren Hütten eingeschlossen. Es war niemand da, der sich um die Kinder kümmern konnte.
    Sie hatte damit gerechnet, daß Meridar protestieren würde, aber der Ritter hatte Tira und Daynen kaum eines Blickes gewürdigt.
    »Wo sollen wir sie hinbringen?« hatte Durge gefragt.
    »Nach Ar-Tolor«, hatte Lirith erwidert. »Ivalaine wird dafür sorgen, daß man sich um sie kümmert.«
    Als Daynen das hörte, hatte er gelächelt. »Ich habe gehört, daß die Königin sehr schön ist.«
    Grace hatte das Gesicht verzogen und in die leblosen Augen des Jungen gesehen.
    Jetzt, wo sie durch die Morgensonne ritten, spürte Grace Tiras mageren, warmen Körper, und obwohl es ein seltsames Gefühl war, war es zugleich auf seltsame Weise unwiderstehlich. Sie hob eine Hand, um die roten Locken des Mädchens zu berühren – und hielt inne. Tira spielte wieder mit der Holzpuppe, ließ sie auf Shandis’ Hals tanzen, streichelte ihr vom Feuer geschwärztes Antlitz.
    Grace schluckte und senkte die Hand.
    Gegen Nachmittag erreichten sie den Rand eines Waldes. Die Straße verlief unter einem gebogenen Baldachin aus Grün und schlängelte sich

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