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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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ist das richtige, Deirdre, das weißt du doch genau. Du hast es gewußt, als du in London den Schwur ablegtest. Beobachten – Glauben – Warten. So muß es sein.
    Deirdre seufzte. Wenn sie sich beeilte, konnte sie noch immer zur Öffnungszeit vor den Toren des Mittelalter-Festivals stehen und verhindern, daß sie zur Lügnerin wurde. Sie drehte sich um, um zum Motorrad zu gehen …
     … und blieb wie angewurzelt stehen.
    »Hallo«, sagte das Kind.
    Seine Stimme war hoch und hell, reines Silber, das gegen Porzellan schlug. Deirdre blinzelte, ihr Mund stand offen. Das Mädchen schien acht oder neun Jahre alt zu sein, sein dunkles Haar war aus dem Engelsgesicht gekämmt. Es trug ein altmodisches schwarzes Wollkleid und gleichermaßen altmodische, zugeknöpfte Schuhe.
    Deirdre schaute nach oben. Ihre Harley war weit und breit das einzige Fahrzeug. Aber wie war die Kleine hergekommen? Wie hatte sie über zehn Meter Kies herankommen können, ohne ein Geräusch zu verursachen? Und was wollte sie?
    »Beobachten«, sagte das Mädchen. »Glauben. Warten.«
    Deirdre holte zischend Luft. Aber die Kleine hatte lediglich ihre Unterhaltung belauscht, das war alles. Deirdre mußte die Worte laut gesagt haben.
    »Hast du dich verirrt?« fragte sie.
    »Nein«, erwiderte das Mädchen mit seiner lispelnden Stimme. »Und du?«
    Instinkt ließ Deirdres Nackenhärchen sich aufstellen, Geschichten spukten ihr durch den Kopf, die ihr Urgroßvater ihr am Lagerfeuer erzählt hatte – Geister, die Felsen heimsuchten; Schatten, die aus Bäumen sprachen. Die Sonne war über den Canyonrand gestiegen, aber das Zwielicht klammerte sich am Kleid des Mädchens fest.
    »Ich verstehe nicht«, sagte Deirdre.
    Violette Augen fixierten sie. »Suche sie auf deiner Reise.«
    Unwillkürlich ging Deirdre in die Hocke, um auf Augenhöhe mit dem Mädchen zu sprechen. »Wovon sprichst du? Was soll ich suchen?«
    »Feuer und Staunen«, flüsterte das Mädchen.
    Ein schriller Schrei zerriß die Luft, und Deirdre schaute auf. Der Falke mit den ausgebreiteten, rotspitzigen Schwingen war tiefer gekreist, und Deirdre sah in kleine, helle Augen. Er stieg auf einer Luftsäule wieder in die Höhe, wurde am blauen Himmel kleiner und verschwand.
    Deirdre schaute wieder nach unten, aber da wußte sie bereits, daß das Mädchen weg sein würde. Zumindest soviel hatten ihr die Geschichten ihres Großvaters beigebracht.

9
    Die Sonne brach am scharfen Gipfel des Castle Peak wie eine Blase auf, Scharlachrot ergoß sich ins Tal. Der Tag war fast zu Ende. Sein Tod würde nur Erleichterung bringen.
    Ein paar Ortsansässige und einige wenige Touristen passierten Travis auf seinem Weg die Elk Street entlang. Zu dieser Jahreszeit hätte Castle City eigentlich voller Leben sein müssen, aber die gewöhnliche Urlauberflut war unter der Sommerhitze genau wie der Granite Creek zu einem Rinnsal verdunstet. Travis hatte bis jetzt nicht mal den Saloon geöffnet. Es gab keinen Grund zur Eile. Die paar Gäste, mit denen man rechnen mußte, würden erst nach Sonnenuntergang kommen, wenn es kühler im Tal geworden war – wenn auch nur einen Hauch. Er würde bis dahin warten.
    Darüber hinaus waren weder Max noch Deirdre im Saloon. Deirdre hatte ihm vergangene Nacht gesagt, sie würde den ganzen Tag beim Mittelalter-Festival spielen, und er hatte sich den ganzen Nachmittag über vorgestellt, wie rotgesichtige Leute aus Denver unter dem gleißenden Schein der Hochgebirgssonne heiße Zinndrachen kauften und an fettigen Truthahnbeinen kauten. Es schien weniger Unterhaltung zu versprechen als vielmehr eine gute Möglichkeit, sich einen Sonnenstich zu holen. Er hoffte, daß die Bardin Glück hatte.
    Was nun Max betraf – Travis war auf dem Weg in die Stadt bei seiner Wohnung vorbeigekommen, aber sie war dunkel und verlassen und der Volvo weg gewesen. Aus irgendeinem Beweggrund war Travis aus seinem Wagen ausgestiegen, um durch das Vorderfenster in das Apartment zu sehen. Die Vorhänge waren zugezogen, aber durch einen Spalt hatte er einen Blick auf Haufen aus zerknitterter Wäsche, Zeitungen und schmutzigem Geschirr werfen können. Zuerst hatte er geglaubt, in das falsche Apartment gesehen zu haben – seiner Erfahrung nach grenzte Max’ Ordnungsliebe ans Krankhafte –, dann überprüfte er die Nummer. Er hatte keinen Fehler begangen.
    Auf dem Rückweg zum Pick-up war sein Blick zufällig auf etwas Schimmerndes gefallen, das sich zwischen vertrockneten Sträuchern befand. Es handelte

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